Die im Fall des Ablaufs oder der Kündigung von Lebensversicherungsverträgen fälligen Leistungen enthalten die garantierte Versicherungssumme bzw. „Garantiewerte”, die der Versicherungspolice zu entnehmen sind. Daneben erhält der Versicherungsnehmer variable, nicht garantierte Leistungen in Form einer Überschussbeteiligung und einer Beteiligung an den Bewertungsreserven des Versicherers. Für die Versicherungsnehmer ist es nicht nachprüfbar, ob die variablen Leistungen vom Versicherer zutreffend berechnet wurden. Es wird daher immer wieder versucht, die Versicherer auf dem Klageweg zur Aufschlüsselung ihrer Berechnung zu veranlassen. Diesem Ansinnen hat der Bundesgerichtshof bereits in zwei Entscheidungen aus den Vorjahren eine Absage erteilt und dies mit Urteil vom 11.02.2015 explizit für die Überschussbeteiligung und die Beteiligung an den Bewertungsreserven bestätigt.
Monat: Januar 2015
Kalkulationsirrtum: Auftragnehmer darf Leistung verweigern
Immer wieder kommt es vor, dass Bieter nach Angebotsabgabe einen Kalkulationsfehler feststellen und deshalb nicht beauftragt werden wollen. Zwar darf der Auftraggeber gemäß § 16 VOB/A; § 19 VOL/A den Zuschlag nicht auf Angebote mit einem unangemessen niedrigen Preis erteilen, hierauf kann sich aber nicht der Bieter berufen, der einen niedrigen, nicht kostendeckenden Preis angeboten hat; die Zuschlagserteilung auf ein Angebot mit einem unangemessen niedrigen Preis ist wirksam. In einem vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.11.2014 entschiedenen Fall hatte ein Bieter, dessen Angebot 27 % unter dem des Nächstbietenden lag, den Auftraggeber vor Zuschlagserteilung auf einen Kalkulationsfehler hingewiesen und um den Ausschluss seines Angebots gebeten. Als der Auftraggeber den Bieter trotzdem beauftragte, verweigerte der Bieter die Ausführung. Hierauf kündigte der Auftraggeber den Vertrag, beauftragte den zweitplatzierten Bieter und verlangte vom Erstplatzierten die Mehrkosten von etwa 27 %. Im Ergebnis ohne Erfolg: Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass ein Bieter sein Angebot trotz eines Kalkulationsirrtums zwar nicht anfechten könne, jedoch müsse der Auftraggeber bei der Auftragserteilung auf die Interessen des Bieters Rücksicht nehmen. Ist dem Auftraggeber der Kalkulationsirrtum bekannt, darf er den Zuschlag auf das Angebot dann nicht erteilen, wenn dem Bieter aus Sicht eines verständigen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung schlechterdings nicht mehr angesonnen werden kann, die Leistung zu dem irrig kalkulierten Preis auszuführen. Diese Schwelle war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs überschritten, sodass der Auftraggeber das Angebot des Bieters nicht hätte bezuschlagen dürfen. Zu beachten ist, dass nicht jeder Kalkulationsfehler den Auftraggeber verpflichtet, von einer Zuschlagserteilung abzusehen. Ob der Auftraggeber den Zuschlag auf ein fehlerhaft kalkuliertes Angebot mit auffallend niedrigem Preis gegen den erklärten Willen des Bieters erteilen darf, hängt vom Einzelfall ab.
Novellierung der baden-württembergischen Landesbauordnung
Am 01.03.2015 tritt die Novelle der baden-württembergischen Landesbauordnung in Kraft. Die wesentlichen Änderungen betreffen das Abstandsflächenrecht, die Nutzung regenerativer Energien, die Begrünung baulicher Anlagen, die Barrierefreiheit von Wohnraum, die Stellplatzpflicht für Fahrräder und das Kenntnisgabeverfahren. Eine ausführliche Darstellung der Neuerungen findet sich in unserem Newsletter zum Öffentlichen Bau- und Planungsrecht aus Februar 2015.
Öffentliches Bau- und Planungsrecht – Lärm von Baustellen
Baustellen sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, die so zu betreiben sind, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen verhindert und nach dem Stand der Technik unvermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Diese Anforderungen sind dann erfüllt, wenn die Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm (AVV Baulärm) eingehalten werden. Die AVV Baulärm schreibt unter anderem Immissionsrichtwerte vor, die im Einzelnen von der Art der Nutzung der baulichen Anlage am jeweiligen Immissionsort abhängen. Bestehen begründete Zweifel an der Einhaltung der Immissionsrichtwerte, kann der Bauherr von der zuständigen Behörde verpflichtet werden, durch einen qualifizierten Sachverständigen wöchentliche Lärmprognosen und einen Maßnahmenkatalog zur Reduzierung der Schallimmissionen erstellen zu lassen. Dies hat der Verwaltungsgerichtshof Mannheim in einer aktuellen Eilentscheidung vom 05.02.2015 klargestellt. Des Weiteren kann die Behörde selbst Messungen durchführen oder dem Bauherrn aufgeben, solche durchführen zu lassen. Kommen diese zum Ergebnis, dass die maßgeblichen Richtwerte der AVV Baulärm überschritten sind, können weitere Maßnahmen zur Verminderung des Baulärms angeordnet werden, die bis hin zu einer vorläufigen Baueinstellung reichen. Aus diesem Grund sollten sich Bauherren insbesondere bei innerstädtischen Großbaustellen frühzeitig mit der Lärmproblematik auseinandersetzen und diese zur Vermeidung späterer Nachbarstreitigkeiten in angemessenem Umfang in ihre Planung einbeziehen.
Abrechnungsgenehmigung für MRT-Untersuchungen
Ein Kardiologe hatte die Zusatzweiterbildung „fachgebundener MRT” absolviert. Die Zusatzweiterbildung ist inzwischen in der Zusatzweiterbildung „Kardio-MRT” aufgegangen. Er war als Krankenhausarzt ermächtigt, gesetzlich versicherte Patienten zu behandeln und begehrte eine Genehmigung zur Erbringung von MRT-Untersuchungen bei gesetzlich Versicherten. Mit diesem Antrag hatte er zunächst beim Sozialgericht Erfolg; das Bundessozialgericht versagte dagegen einen Anspruch auf Genehmigung. In der Kernspintomographievereinbarung ist u.a. geregelt, dass nur ein Facharzt für diagnostische Radiologie, Kinderradiologie, Neuroradiologie oder Nuklearmedizin eine entsprechende Abrechnungsgenehmigung erteilt bekommen kann. Diese Regelung hält das Bundessozialgericht für wirksam. Die Konzentration der entsprechenden Leistungen in der Hand der Radiologen sei sachgerecht, weil so eine Leistungsausweitung verhindert werde, die zu erwarten sei, wenn Kardiologen oder z.B. Orthopäden selbst die entsprechende Zuweisung vornehmen könnten. Die MRT-Untersuchung gehöre zum Kernbereich der radiologischen Tätigkeit, nicht aber zum Kernbereich der internistischen oder kardiologischen Tätigkeit.
Wahlleistungsvereinbarung und beschränkte Operationseinwilligung
Das Oberlandesgericht Braunschweig und das Oberlandesgericht Hamm haben über zwei ähnlich gelagerte Fälle entschieden: Patienten hatten sich zur Behandlung in ein Krankenhaus begeben und eine Wahlleistungsvereinbarung geschlossen. Der aufgrund der Wahlleistungsvereinbarung zur persönlichen Leistungserbringung verpflichtete Chefarzt konnte die Leistung nicht selbst erbringen und der Patient wurde von einem in der Wahlleistungsvereinbarung benannten Vertreter behandelt, ohne dass der Umstand des Vertretungsfalles dem Patienten vorab offengelegt wurde. Der Patient berief sich nachfolgend darauf, dass er nicht wirksam in die Operation eingewilligt habe, da sich seine Einwilligung auf die Behandlung durch den Chefarzt bezogen habe, nicht aber auf die Durchführung der Operation durch den jeweiligen Vertreter. In Fällen einer vorhersehbaren Abwesenheit des Chefarztes ist anerkannt, dass der Patient vorab über den Vertretungsfall zu informieren ist und ihm verschiedene Optionen in schriftlicher Form zu eröffnen sind, insbesondere, dass er sich durch den Vertreter behandeln lassen kann oder auch unter Verzicht auf die Wahlleistungsvereinbarung durch einen sonstigen Arzt des Krankenhauses. Daran mangelte es im vorliegenden Fall, weshalb das Oberlandesgericht Braunschweig die Wahlleistungsvereinbarung zutreffend als insgesamt nichtig bewertete. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Braunschweig ist die Einwilligungserklärung des Patienten begrenzt auf die Behandlung durch den Chefarzt. Die Behandlung durch den Vertreter sei folglich nicht von der Einwilligungserklärung abgedeckt und erfolge rechtswidrig. Obwohl eine Operation hier legeartis durchgeführt wurde, hafte der Krankenhausträger bzw. der den Eingriff vornehmende Arzt auf Schadenersatz. Das Oberlandesgericht Hamm hat dagegen zwar ebenfalls die Wirksamkeit der Wahlleistungsvereinbarung verneint, aber die Einwilligung zur Krankenhausbehandlung insgesamt als wirksam angesehen. Es sei zwischen der Wahlleistungsvereinbarung und der Einwilligungserklärung zu differenzieren. Letztere beziehe sich auf die Ärzte im Krankenhaus, weshalb im vorliegenden Fall der Eingriff von einer Einwilligung des Patienten abgedeckt gewesen sei. Leider sind beide Entscheidungen unabhängig voneinander ergangen und rechtskräftig geworden, ohne dass die Gerichte den Standpunkt des jeweils anderen Gerichts erkannt hätten. Es ist daher für die Praxis als sicherster Weg zu empehlen, vor der Operation die gegebenenfalls bereits eingeholte Einwilligung des Patienten ausdrücklich bestätigen zu lassen, wenn der ursprünglich für die Operation bezeichnete Wahlarzt durch einen anderen Arzt vertreten werden soll. Schon um die Ansprüche aus der Wahlleistungsvereinbarung nicht zu verlieren, ist der Patient schriftlich zu informieren.
Kartellrechtliche Grenzen markenrechtlicher Abgrenzungsvereinbarungen
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat in einem Urteil vom 15.10.2014 wesentliche Grundsätze zur kartellrechtlichen Zulässigkeit von markenrechtlichen Abgrenzungsvereinbarungen und darin enthaltenen Nichtangriffsabreden festgehalten. Diese können über das Markenrecht hinaus auch für Vereinbarungen zu anderen Schutzrechten (z. B. Patenten) von Bedeutung sein. In dem zugrundeliegenden Fall stritten zwei Chemieunternehmen u. a. über die Wirksamkeit der zwischen ihnen getroffenen Markenabgrenzungsvereinbarung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellte zunächst fest, dass Abgrenzungsvereinbarungen stets kartellrechtswidrig sind, wenn sie Marktaufteilungen oder andere Wettbewerbsbeschränkungen bezwecken. Zulässig seien sie jedoch, wenn sie bestehende Schutzrechte konkretisieren. Dies sei unter zwei Voraussetzungen der Fall: Erstens müsse bei Abschluss der Abgrenzungsvereinbarung ein ernsthafter, objektiv begründeter Anlass zu der Annahme bestehen, dass ein markenrechtlicher Anspruch auf Unterlassung des durch die Vereinbarung untersagten Markt verhaltens existiert. Zweitens müssten sich die in der Abgrenzungsvereinbarung vereinbarten Beschränkungen in den territorialen, zeitlichen und sachlichen Grenzen dessen halten, was zwischen den Parteien ernsthaft zweifelhaft sein kann. Nichtangriffsabreden seien nur kartellrechtlich unbedenklich, wenn und soweit sie die zulässigen Regelungen in der Abgrenzungsvereinbarung absichern.
Presseveröffentlichung vor rechtskräftigem Verfahrensabschluss zulässig
Das Bundeskartellamt darf eine Pressemitteilung über ein abgeschlossenes Bußgeldverfahren veröffentlichen und darin die bebußten Unternehmen namentlich nennen, auch wenn die Bußgeldbescheide noch nicht rechtskräftig sind. Das hat das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 09.10.2014 entschieden und damit die Informationspraxis des Bundeskartellamtes zu Lasten der an einem Kartellverfahren beteiligten Unternehmen bestätigt. Mehrere Wursthersteller, die derzeit gerichtlich gegen die Bußgeldbescheide des Bundeskartellamtes im sogenannten „Wurstkartell” vorgehen, hatten sich gegen eine frühzeitige Pressemitteilung gewandt. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts Düsseldorf besteht jedoch insbesondere dann, wenn Bußgelder wegen Kartellverstößen zum Nachteil des Letztverbrauchers verhängt werden und das Verfahren die Allgemeinheit daher unmittelbar betrifft, ein gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung des Bundeskartellamtes. Die Interessen der Hersteller müssten dahinter zurücktreten. Allerdings müsse die Pressemitteilung den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die Bußgeldbescheide gerichtlich überprüft werden können.
Überwachung privater Gelände mittels Videokamera nur in begrenztem Umfang zulässig
Grundsätzlich sieht das Bundesdatenschutzgesetz für die Erhebung und Verarbeitung von Daten zu privaten Zwecken keine Einschränkungen vor. Damit ist zum Beispiel der Einsatz von Überwachungskameras im häuslichen Bereich grundsätzlich erlaubt, soweit dies ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten dient. Der Europäische Gerichtshof präzisierte die Schranken dieses Rechts mit Urteil vom 11.12.2014: Eine derartige Überwachung darf ausschließlich in der persönlichen oder familiären Sphäre desjenigen vorgenommen werden, der die Daten verarbeitet. Soweit sich eine Videoüberwachung auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstrecke, sei sie hingegen unzulässig. Videokameras sind daher so auszurichten, dass beispielsweise bei einer Überwachung des privaten Hauseingangs nicht der davor liegende öffentliche Gehweg mitgefilmt wird.
Arbeitgeber darf private Anschrift von Mitarbeitern nicht weitergeben
Mit Urteil vom 20.01.2015 hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass private Daten von Arbeitnehmern (hier: die Anschrift) nur unter ganz engen Voraussetzungen an Dritte weitergegeben werden dürfen. Das Bundesdatenschutzgesetz gestatte dem Arbeitgeber die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten (nur) für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses. Bei Daten, die für die Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben werden, „ist die Übermittlung an Dritte nach dem für den Datenschutz geltenden Zweckbindungsgebot grundsätzlich als zweckfremde Verwendung ausgeschlossen. Eine Weiterleitung privater Kommunikationsdaten an Dritte bedarf vielmehr der Einwilligung des Betroffenen oder der besonderen Gestattung durch eine Rechtsvorschrift.” Bevor also ein Arbeitgeber beabsichtigt, Mitarbeiterdaten an einen Dritten zu geben, sollte unbedingt eine datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen werden.