Aufnahmen von Dashboard-Cams gerichtlich nicht verwertbar

Wir berichteten im vergangenen Mai, dass der Einsatz von Dashboard-Cams von der bayrischen Datenschutzbehörde kritisch gesehen wird, da hierdurch Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt würden. Diese Ansicht bestätigte nun das Landgericht Heilbronn (Urteil vom 17.02.2015 – Az. I 3 S 19/14), das entschied, dass mittels einer Dashboard-Cam aufgenommene Filmmitschnitte nicht als Beweis für einen Unfallhergang verwendet werden dürften. Das Landgericht begründete die Ansicht mit einer befürchteten Aushöhlung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, welches nicht von dem Interesse einer potentiellen Beweisführung überlagert werden könne.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

BSA veröffentlicht Analyse von EU-Datensicherheits- gesetzen

Die BSA, eine weltweite Vereinigung von Soft- und Hardwareherstellern, veröffentlichte eine Analyse der Datensicherheitsgesetze der 28 Mitgliedstaaten. Darin wird nicht nur die jeweilige Gesetzeslage in einer Übersicht anschaulich dar-, sondern auch festgestellt, dass noch erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Europaweit operierende Unternehmen sollten sich daher bei einer Einhaltung des deutschen Standards nicht darauf verlassen, dass damit auch den Anforderungen in anderen europäischen Staaten genüge getan ist.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

Haftung für Nutzerkommentare auf Bewertungsportalen

Nachdem der Bundesgerichtshof die Rechte von Bewertungsportalen hinsichtlich der Anonymität der Nutzer im letzten Jahr gestärkt hatte (wir berichteten im Juli und Oktober), beschäftigte er sich am 19. März 2015 (I ZR 94/13) erneut mit Bewertungsportalen und insbesondere darauf enthaltenen rechtswidrigen Kommentaren von Nutzern. Der BGH bestätigte den Grundsatz, dass ein Bewertungsportal nur unter bestimmten Umständen eine Pflicht zur Vorabprüfung von Bewertungen hat – zu berücksichtigen sind dabei auch die Zumutbarkeit von Prüfungen und die Erkennbarkeit von Rechtsverletzungen. Liegen diese Umstände nicht vor, muss ein Bewertungsportal eine rechtsverletzende Bewertung erst entfernen, wenn es von dieser Bewertung Kenntnis erlangt. Wird die Bewertung dann aber nicht umgehend entfernt, haftet das Portal dem Verletzten auf Unterlassung.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

BSA veröffentlicht Analyse von EU-Datensicherheitsgesetzen

Die BSA, eine weltweite Vereinigung von Soft- und Hardwareherstellern, veröffentlichte eine Analyse der Datensicherheitsgesetze der 28 Mitgliedstaaten. Darin wird nicht nur die jeweilige Gesetzeslage in einer Übersicht anschaulich dar-, sondern auch festgestellt, dass noch erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Europaweit operierende Unternehmen sollten sich daher bei einer Einhaltung des deutschen Standards nicht darauf verlassen, dass damit auch den Anforderungen in anderen europäischen Staaten genüge getan ist.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

Reputationsschutz wird auch in Snippets gewährleistet

Bei wahrheitswidrigen oder beleidigenden Behauptungen auf Internetseiten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den Betreiber der Seite aufzufordern, diese zu entfernen. Problematisch war dies mitunter bei Snippets in Suchergebnissen, die oftmals längere Zeit gefunden werden können als der Originaltext. Mit Urteil vom 07.11.2014 entschied das LG Hamburg (Az.: 324 O 660/12), dass Google als Suchmaschinenbetreiber für die Inhalte rechtswidriger Snippets in Anspruch genommen werden kann, wenn kein berechtigtes öffentliches Interesse an der Verbreitung der Snippets besteht und der Eintrag nach Kenntniserlangung nicht entfernt wird.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

Keine Extra-Entgelte für Mobilfunkbetreiber für Papierrechnung

Viele Mobilfunkbetreiber haben in der Vergangenheit mehrheitlich zusätzliche Entgelte für die Zusendung von Papierrechnungen verlangt. In mehreren Entscheidungen wurde dies nun untersagt – so etwa das OLG Düsseldorf im Fall von Vodafone (Urteil vom 29.01.2015 – Az.: I-6 U 82/14) und Simyo (Urteil vom 29.01.2015 – Az.: I-6 U 166/13) und das OLG München im Fall von O2 (Urteil vom 05.02.2015 – Az.: 29 U 830/14). Die Gerichte urteilten, dass die Zusendung einer Papierrechnung eine vertragliche Nebenpflicht des Mobilfunkbetreibers sei, die nicht gesondert berechnet werden könne.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

Neue Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form (GoBD)

Seit dem 01.01.2015 sind die neuen GoBD in Kraft, die all diejenigen treffen, die Buchführungs- bzw. Aufzeichnungspflichtigen beachten müssen. Die GoBD ersetzen die GDPdU und die GoBS. Darin geregelt sind die Anforderungen der Finanzverwaltung an die elektronische Buchführung und sonstige Aufzeichnungen. Die neuen Regelungen gelten für alle Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2014 beginnen.

Dr. Thomas Weimann, Daniel Nagel

Arbeitsrechtliche Schwerpunktthemen – Drittes Problemfeld: Die Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten nach § 17 MiLoG

Frage 1: Für wen gelten die Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten des § 17 MiLoG?

Antwort: Die über die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) hinausgehenden Pflichten des § 17 MiLoG gelten für die in § 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbranchen und -zweige (Bau-, Gaststätten- und Beherbergungs-, Personenbeförderungs-, Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistik-, Schausteller- und Gebäudereinigungsgewerbe, Messebau und Forst- und Fleischwirtschaft). Ausgenommen sind die Fälle, in denen der Arbeitgeber nachweisen kann, dass der betroffene Arbeitnehmer durch seine verstetigte Vergütung monatlich mehr als derzeit 2.958,00 € brutto verdient und der Arbeitgeber tatsächlich die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des § 16 Abs. 2 des ArbZG einhält. Die Dokumentations- und Nachweispflichten gelten auch – unabhängig vom Wirtschaftszweig – für geringfügig Beschäftigte im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB I V (Ausnahme: Minijobber in Privathaushalten).

Frage 2: Was und wie muss dokumentiert werden?

Antwort: Alle von § 17 MiLoG erfassten Arbeitgeber müssen grundsätzlich Beginn, Ende und Dauer der individuellen, tatsächlich geleisteten täglichen Arbeitszeit spätestens bis zum siebten Tag nach Erbringung der Arbeitsleistung dokumentieren und diese Aufzeichnungen für einen Zeitraum von zwei Jahren aufbewahren. Ausnahmen sind denkbar für Arbeitnehmer, die mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten beschäftigt werden. Bei diesen kann es unter gewissen Voraussetzungen reichen, lediglich die Dauer der Arbeitszeiten (ohne Beginn und Ende) zu dokumentieren. Auf Verlangen der Prüfbehörde müssen die Aufzeichnungen auch am Ort der Beschäftigung zur Vorlage bereitgehalten werden. Das Gesetz enthält keine besonderen Vorschriften, wie die Aufzeichnung stattzufinden hat. Je nach praktischer Umsetzbarkeit können Arbeitgeber auf elektronische Zeiterfassungssysteme zurückgreifen oder klassische „Stundenzettel” verwenden.

Frage 3: Welche Maßnahmen stehen Arbeitgebern zur Verfügung, um diesem Aufwand zu „entkommen”?

Antwort: Von § 17 MiLoG erfasste Arbeitgeber können die Dokumentationspflichten weitgehend an die Arbeitnehmer im Wege der Arbeitsanweisung übertragen. Gleichwohl bleibt der Arbeitgeber rechtlich dafür verantwortlich, dass der ggf. an die Mitarbeiter übertragenen Aufzeichnungspflicht nachgekommen wird. Arbeitgeber sollten daher die erforderlichen Aufzeichnungsmittel bereitstellen, Mitarbeiter bezüglich der Dokumentation konkret und nachweisbar anweisen, regelmäßig die Einhaltung dieser Pflichten durch Stichproben überprüfen sowie etwaige Verstöße (beispielsweise durch eine Abmahnung) ahnden. Sofern ein von § 17 MiLoG erfasster Arbeitgeber bereits eine Monatsvergütung (knapp) unterhalb von 2.958,00 € brutto schuldet, ist zu überlegen, diese Grenze durch eine arbeitsvertraglich vereinbarte monatliche Vergütungserhöhung zu überschreiten. Hierdurch würden die Dokumentations- und Nachweispflichten des § 17
MiLoG unanwendbar, allerdings wären die des Arbeitszeitgesetzes weiterhin zu beachten (hierzu auch Problemfeld 3 Frage 1).

Frage 4: Was droht Arbeitgebern, die Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten nicht einhalten?

Antwort: Verstöße können mit einem Bußgeld in einer Höhe von bis zu 30.000 € geahndet werden.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M., Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek, Nadine Crocoll

Arbeitsrechtliche Schwerpunktthemen – Zweites Problemfeld: Die Auftraggeberhaftung nach § 13 MiLoG bei Werk- und Dienstleistungen

Frage 1: Um was geht es bei § 13 MiLoG?

Antwort: § 13 MiLoG verweist auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG). Dieser normiert in bestimmten Branchen
– insbesondere im Baugewerbe
– eine spezielle verschuldensunabhängige Durchgriffshaftung für Unternehmen als Auftraggeber von Werk- oder Dienstleistungen. Der Auftraggeber haftet gegenüber den Arbeitnehmern seiner Subunternehmer für die Zahlung des Mindestentgelts.

Frage 2: Wer haftet als „Unternehmer” im Sinne von §§ 13 MiLoG, 14 AEntG?

Antwort: Nach der restriktiven und auf das MiLoG wohl übertragbaren Ansicht des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zu § 14 AEntG haftet als „Unternehmer” jedenfalls der Generalunternehmer, der seinen eigenen Auftrag (teilweise) durch Sub- und Nachunternehmer ausführen lässt. Für diese Fälle ist eine entsprechende Absicherung für den Auftraggeber erforderlich (siehe hierzu die Handlungsmöglichkeiten zu Frage 8). Ungeklärt ist, ob die Haftung auch eingreift, wenn ein Unternehmer Werk- oder Dienstleistungen, die er normalerweise durch eigene Mitarbeiter erbringen lassen würde, durch einen Sub- oder Nachunternehmer erledigen lässt. In der Fachliteratur ist eine Tendenz festzustellen, die dies – u.E. zu Recht – befürwortet. Daher sollten Unternehmer sich auch in dieser Konstellation vor Haftungsfallen schützen (siehe hierzu die Handlungsmöglichkeiten zu Frage 8). Ungeklärt ist ferner, ob die Beauftragung Dritter mit Werk- oder Dienstleistungen, die lediglich der Befriedigung des betrieblichen Eigenbedarfs des Auftraggebers dient, unter die Auftraggeberhaftung des § 13 MiLoG fällt, so z.B. die Beauftragung einer Fremdfirma mit der Ausführung von Reinigungs- oder Malerarbeiten in den Büroräumen des Auftraggebers. U.E. und nach öffentlicher Äußerung von Frau Nahles am 01.03.2015 als Bundesministerin für Arbeit und Soziales würde eine solch weitgehende Haftung den Schutzzweck des MiLoG überdehnen. Gleichwohl sollten sich Unternehmer bis zur höchstrichterlichen Klärung dieser Frage zur Vermeidung von und unter Berücksichtigung der jeweiligen Haftungsrisiken „mit Augenmaß” absichern (siehe hierzu die Handlungsmöglichkeiten zu Frage 8).

Frage 3: Haften Auftraggeber für alle zur Erledigung des eigenen Auftrags mit Werk- oder Dienstleistungen beauftragten Subunternehmer?

Antwort: Ja. Der Auftraggeber haftet nicht nur den Arbeitnehmern seiner unmittelbar von ihm beauftragten Sub- oder Nachunternehmer. Er haftet auch gegenüber den Arbeitnehmern aller von den Sub- oder Nachunternehmern beauftragten weiteren Sub- oder Nachunternehmen oder Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen in der gesamten Kette unbegrenzt. Damit reicht die Haftungskette in unüberschaubare Ferne. Überdies steht dem Arbeitnehmer ein Wahlrecht zu, wen er in dieser Kette auf Mindestlohnzahlung primär in Anspruch nimmt, zumeist wohl den wirtschaftlich Leistungsfähigsten.

Frage 4: Welchen Anspruch hat der nach § 13 MiLoG haftende Unternehmer gegen das unmittelbar mindestlohnwidrig handelnde Subunternehmen?

Antwort: Begleicht der nach §§ 13 MiLoG, 14 AEntG in Anspruch genommene Auftraggeber die rückständigen Mindestlohnansprüche von Arbeitnehmern eines Sub- oder Nachunternehmens, so gehen die Forderungen dieser Arbeitnehmer insoweit kraft Gesetz auf den zahlenden Auftraggeber über. Der in Anspruch genommene Auftraggeber kann von dem unmittelbar gegen das MiLoG verstoßenden Sub- oder Nachunternehmer für die von ihm [dem Auftraggeber] an den Arbeitnehmer gezahlten Beträge vollen Ausgleich verlangen. Dies sollten Auftraggeber klarstellend in ihre Werk- und Dienstleistungsverträge aufnehmen.

Frage 5: Welchen Anspruch hat der nach § 13 MiLoG haftende Unternehmer gegen die weiteren Beteiligten in der Nachunternehmerkette?

Antwort: Ungeklärt ist, ob die weiteren Beteiligten der Nachunternehmerkette jeweils in voller Höhe den Betrag ausgleichen müssen, den der Auftraggeber an den Arbeitnehmer des unmittelbar gegen das MiLoG verstoßenden Sub- oder Nachunternehmers geleistet hat. Nach derzeit verbreiteter Ansicht soll zumindest ein anteiliger Rückgriff möglich sein, dessen Höhe sich nach der Anzahl der haftenden Unternehmen richtet. Auftraggeber sollten sich auch insoweit durch geeignete Freistellungsklauseln davor schützen, ggf. nur einen anteiligen Regressanspruch zu haben, zumal wenn einer der in der Nachunternehmerkette Beteiligten insolvent ist (siehe hierzu die Handlungsmöglichkeiten zu Frage 8).

Frage 6: Was macht die Auftraggeberhaftung der §§ 13 MiLoG, 14 AEntG besonders risikoträchtig?

Antwort: Die Haftung des Auftraggebers hat der Gesetzgeber verschuldensunabhängig ausgestaltet. Auftraggeber haften somit selbst dann, wenn es für sie nicht erkennbar oder gar unvermeidbar war, dass der Beauftragte oder einer der Nachunternehmer die Einhaltung der Mindestlohnverpflichtungen vernachlässigt. Es gibt keine Exkulpationsmöglichkeiten. Fest steht, dass der Auftraggeber haftet, wenn der Sub- oder Nachunternehmer seinem Arbeitnehmer den Mindestlohn aufgrund entsprechender (mindestlohnwidriger) arbeitsvertraglicher Vereinbarung nicht bezahlt. Bislang nicht geklärt ist hingegen die Frage, ob die Auftraggeberhaftung auch dann eingreift, wenn der Sub- oder Nachunternehmer als Arbeitgeber zwar zumindest eine mindestlohnkonforme Vergütung arbeitsvertraglich zugesichert hat, diese aber in Höhe des Mindestlohns nicht bezahlen kann. Damit droht dem Auftraggeber, dass er – je nach Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage – auch das Insolvenzrisiko des Beauftragten bezüglich der Mindestlohnforderung seiner Arbeitnehmer tragen muss. Unternehmer im Sinne von §§ 13 MiLoG, 14 AEntG sollten daher auch insoweit geeignete Sicherungsmaßnahmen treffen. (siehe hierzu die Handlungsmöglichkeiten zu Frage 8).

Frage 7: Wofür wird gehaftet?

Antwort: Nach §§ 13 MiLoG, 14 Satz 2 AEntG haftet der Auftraggeber für das geschuldete Mindestnettoentgelt, das nach Abzug von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung an den Arbeitnehmer zu zahlen ist. Dies gilt jedenfalls für die von den Mitarbeitern des Sub- oder Nachunternehmers tatsächlich geleisteten Stunden.

Frage 8: Wie kann sich ein Unternehmen als Auftraggeber gegen die Haftungskette der §§ 13 MiLoG, 14 AEntG schützen?

Antwort: Bereits in der vorvertraglichen Phase können verschiedene Quellen „angezapft” werden. Etwa durch die Auskunft aus dem Gewerbezentralregister kann sich der Ausschluss des zu beauftragenden Unternehmens von öffentlichen Aufträgen ergeben, der möglicherweise auf einem mindestlohnwidrigen Fehlverhalten beruht (siehe oben Problemfeld 1 Frage 5) und insoweit Anlass für weitere Nachfragen sein kann. Auch sollte das Angebot des zu beauftragenden Unternehmens vor der Beauftragung dahingehend auf Plausibilität geprüft werden, ob das Subunternehmen in wirtschaftlicher Hinsicht überhaupt mit seinem Angebot den Mindestlohn an seine Arbeitnehmer zahlen kann. Ratsam ist es jedenfalls auch, sich über die Bonität potentieller Auftragnehmer zu informieren und sich ggf. eine Sicherheit (z.B. eine Bürgschaft) einräumen zu lassen, um eventuelle Regressforderungen abzudecken. Die Phase der Vertragsgestaltung ist entscheidend: Hier können nur richtig formulierte Freistellungserklärungen, die Einbeziehung von etwaigen Prüf- und Kontrollrechten gegenüber dem beauftragten Unternehmen, das Aushandeln von Kündigungsrechten und die Vereinbarung von Vertragsstrafen etc. das Haftungsrisiko auf ein vertretbares Maß reduzieren. Anzuraten ist auch (soweit umsetzbar) eine Vereinbarung, wonach der Auftragnehmer nur mit Zustimmung des Auftraggebers (oder zumindest seiner vorherigen Unterrichtung) weitere Subunternehmen beauftragen darf. In der Phase der Vertragsdurchführung müssen die (vereinbarten) Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung der Auftraggeberhaftung konsequent im Auge behalten und – wenn erforderlich – eingesetzt werden. In dieser Phase sollten Fragen wie die Ausübung von Sonderkündigungsrechten, Geltendmachung von Vertragstrafen oder Vorlage von entsprechenden Unterlagen regelmäßig geprüft werden. Praxisüblich sind auch schriftliche Bestätigungen der Auftragnehmer von Werk- und Dienstleistungen, dass sie die Vorgaben des MiLoG einhalten.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M., Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek, Nadine Crocoll

Arbeitsrechtliche Schwerpunktthemen – Erstes Problemfeld: Der Mindestlohn

Frage 1: Wem müssen Arbeitgeber den Mindestlohn bezahlen und wem nicht?

Antwort: Das MiLoG begründet seit dem 01.01.2015 einen Anspruch auf Mindestlohn in Höhe von derzeit 8,50 € brutto je Zeitstunde für alle Arbeitnehmer, also auch für geringfügig Beschäftigte (450 €- Jobs). Ausgenommen werden nur bestimmte Praktikanten, Auszubildende und Ehrenamtliche, Jugendliche nach dem JArbSchG ohne Berufsabschluss, bestimmte Langzeitarbeitslose und bestimmte Branchen wie etwa die Gebäudereinigung, Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, die Fleischindustrie und die Arbeitnehmerüberlassung. Für das Friseurhandwerk (bis zum 31.07.2015) und die Land- und Forstwirtschaft einschließlich Gartenbau (bis zum 31.12.2017) gelten Übergangsregelungen. Bei Zeitungszustellern wird der Mindestlohn schrittweise eingeführt. Ab dem 01.01.2018 gilt der von der Mindestlohnkommission festgesetzte allgemeine gesetzliche Mindestlohn ohne jede Einschränkung. Arbeitgeber sollten unbedingt prüfen, ob bei allen Arbeitnehmern, aber auch bei Praktikanten und im Betrieb zur Anfertigung einer Abschlussarbeit eingesetzten Master- und Bachelorstudenten, die Vorgaben des MiLoG eingehalten werden und dies – sofern nicht bereits der Fall – durch geeignete Maßnahmen sicherstellen.

Frage 2: Welche Arbeitgeberleistungen sind auf den Mindestlohnanspruch von derzeit 8,50 € brutto je Zeitstunde anrechenbar?

Antwort: Das Gesetz bleibt zu dieser Frage recht vage. Derzeit geht die herrschende Meinung von Folgendem aus: Es dürfen nur solche Leistungen in die Kalkulation des Mindestlohns einbezogen werden, die eine Gegenleistung für die vertraglich vereinbarte Normalleistung des Arbeitnehmers darstellen. Zulagen, die für Sonderleistungen des Arbeitnehmers (wie Sonntags-, Nacht- oder Schichtzuschläge) bezahlt werden, dürfen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden, sondern müssen zusätzlich zu den 8,50 € brutto Mindeststundenlohn gezahlt werden. Der Zoll als zuständige Ermittlungsbehörde für Verstöße gegen das MiLoG veröffentlicht auf seiner Homepage u.a. eine Liste von Zahlungen, die zumindest derzeit vom Zoll als mindestlohnwirksam anerkannt werden (vgl. www.zoll.de unter „Fachthemen”, dort unter „Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz”). Die dort veröffentlichten Informationen können bis zu den ersten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen eine Orientierungshilfe für Arbeitgeber darstellen. Soweit danach Risiken bestehen, dass ein Arbeitgeber aufgrund nicht mit Sicherheit auf den Mindestlohn anrechenbarer Zahlungen ein Stundenentgelt von 8,50 € brutto unterschreitet, kann es sinnvoll sein, dass bislang einmal jährlich gewährte Sonderzahlungen wie z.B. das Weihnachtsgeld künftig anteilig in jedem Monat ausbezahlt werden. Bei dieser Ausgestaltung können Teilzahlungen in jedem Monat den dann fälligen Mindestlohnanspruch erfüllen. Die monatsweise Auszahlung der bislang jährlich gewährten Sonderzahlung sollte durch einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag geregelt werden. Bei der Auszahlung des Mindestlohns ist insoweit zu beachten, dass Entgeltzahlungen des Arbeitgebers den Mindestlohnanspruch im jeweiligen Fälligkeitsmonat, aber eben auch nur in diesem, erfüllen können. Nach dem MiLoG ist der Mindestlohn spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats zu zahlen, der auf den Monat folgt, in dem die Arbeitsleistung erbracht worden ist.

Frage 3: Müssen nach dem MiLoG auch Überstunden mit 8,50 € brutto je Stunde vergütet werden?

Antwort: Ja, wenn Überstunden vergütungspflichtig sind und keine sonstige Ausnahme vom Mindestlohn vorliegt (hier- zu Problemfeld 1, Frage 1).

Frage 4: Müssen nach dem MiLoG auch Überstunden mit mindestens 8,50 € brutto je Stunde vergütet werden, wenn zwischen den Parteien arbeitsvertraglich die pauschale Abgeltung von einer bestimmten Anzahl Überstunden vereinbart ist?

Antwort: Ja, jedenfalls wenn die auf den Mindestlohn anrechenbare Monatsvergütung (verstetigte Vergütung zzgl. weiterer mindestlohnwirksamer Vergütungsbestandteile) nicht zu einer umgerechneten Vergütung von mindestens 8,50 € brutto für jede tatsächlich gearbeitete (Über-) Stunde führt. Unklar ist, ob auch für jede Überstunde 8,50 € brutto bezahlt werden muss, wenn ein verstetigter Monatslohn bezahlt wird, der unter Berücksichtigung der arbeitsvertraglich pauschal abgegoltenen Überstunden rechnerisch zu einer Stundenvergütung von mindestens 8,50 € brutto führt.
Beispiel: Der Arbeitnehmer bezieht eine Monatsvergütung von 1.512,00 € brutto für 168 Stunden. Nach MiLoG hätte er einen monatlichen Anspruch auf 1.428,00 € brutto (= 8,50 € brutto x 168 Stunden). Die verstetigte Monatsvergütung von 1.512,00 € brutto ermöglicht u.E. eine arbeitsvertragliche Vereinbarung, nach der bis zu 9,88 Überstunden monatlich pauschal mit der Monatsvergütung abgegolten sind (1.512,00 € brutto – 1428,00 € brutto = 84,00 € brutto / 8,50 € brutto = 9,88 Stunden), ohne dass gegen das MiLoG verstoßen wird. Arbeitgeber sollten in jedem Fall prüfen, ob die Anzahl der arbeitsvertraglich mit der Monatsvergütung pauschal abgegoltenen Überstunden dazu führen, dass für jede tatsächlich gearbeitete Stunde (auch hinsichtlich der pauschal abgegoltenen Überstunden) rechnerisch mindestens 8,50 € brutto bezahlt werden. Ist dies nicht der Fall, sollte versucht werden, eine Änderung des Arbeitsvertrags herbeizuführen, die dies berücksichtigt. Im Hinblick auf das MiLoG ist die pauschale Abgeltung von Überstunden u.E. derzeit noch unkritisch, wenn die verstetigte Monatsvergütung ausreicht, um alle arbeitszeitrechtlich zulässigen Stunden mit umgerechnet 8,50 € brutto zu vergüten. Dies ist in der Regel bei einem Betrag von 2.295,00 € brutto monatlich der Fall (siehe hierzu auch Frage 6 zu Arbeitszeitkonten). Allerdings wird zumindest teilweise in der juristischen Fachliteratur vertreten, dass für die über die „normale” Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden (Überstunden, Bereitschaftszeit etc.) neben der verstetigten Monatsvergütung zusätzlich 8,50 € brutto nach MiLoG bezahlt werden müssen.

Frage 5: Was droht einem Arbeitgeber, der gegen das MiLoG verstößt?

Antwort: Bei Verstößen gegen das MiLoG drohen zivil-, ordnungswidrigkeiten und strafrechtliche Konsequenzen. Mindestlohnwidrige Vereinbarungen (egal ob im Arbeits- oder Tarifvertrag oder in Betriebsvereinbarungen) sind nichtig. Zivilrechtlich wird das mindestlohnwidrig vereinbarte Entgelt nicht „geltungserhaltend” auf die Mindestlohnhöhe aufgestockt, sondern es muss der für die Tätigkeit übliche Lohn bezahlt werden. Dieser kann sich etwa nach branchenüblichen Tarifverträgen bestimmen und daher sogar über dem Mindestlohn liegen. Arbeitgeber sollten ihren Arbeitnehmern, deren vertraglich vereinbartes Entgelt den Mindestlohn unterschreitet, eine Vertragsanpassung anbieten. Dies sollte zumindest einen Stundenlohn von 8,50 € brutto sicherstellen; auch bei Zahlung des Mindestlohns sollte die für die Tätigkeit (branchen- und orts-) übliche Vergütung nicht um mehr als ein Drittel unterschritten werden, da auch in diesem Fall unter dem Stichwort „Sittenwidrigkeit” eine weitere Anpassung nach oben droht. Ferner kann die Nichtzahlung des Mindestlohns zu einem Bußgeld von bis zu 500.000,00 € und dem Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge führen. Bei vorsätzlicher Nichtzahlung des Mindestlohns droht sogar eine Strafbarkeit wegen nicht (vollständig) abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen.

Frage 6: Wie wirkt sich das MiLoG auf Arbeitszeitkonten aus?

Antwort: Nach derzeit herrschender Ansicht überhaupt nicht, falls ein monatlicher Bruttolohn (ohne Zuschläge) in Höhe von mindestens 2.295,00 € brutto geschuldet wird. Dies ergibt aus folgender Formel: Die höchst zulässige Arbeitszeit beträgt pro Werktag 10 Stunden. Dies multipliziert mit dem Mindestlohn von derzeit 8,50 € brutto und der höchst möglichen Anzahl an Werktagen in einem Monat von 27 Werktagen (z.B. im August 2016) ergibt einen Betrag von 2.295,00 € brutto, mit dem sämtliche in einem Monat arbeitszeitrechtlich zulässigen Arbeitsstunden auch mindestlohnkonform in einem Monat abgedeckt sind. Wird ein Betrag von weniger als 2.295,00 € brutto in einem Monat ausbezahlt, sollten Arbeitgeber sich hinsichtlich der mindestlohnkonformen Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten rechtlich beraten lassen.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M., Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek, Nadine Crocoll