Umgang mit Bewerberdaten nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens – Bewerberpool

Für Arbeitgeber stellt sich häufig die Frage, wie mit Bewerberdaten nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens umzugehen ist. Hierbei ist insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu beachten, da Bewerbungsunterlagen in der Regel eine Vielzahl personenbezogener Daten enthalten. Wird ein Bewerber eingestellt, dürfen jedenfalls seine für die Begründung, Durchführung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses in den Bewerbungsunterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten zur Personalakte genommen werden.

Die personenbezogenen Daten von abgelehnten Bewerbern müssen gelöscht und – soweit in Papierform vorhanden und keine Rücksendung vom Bewerber gewünscht – vernichtet werden. Umstritten ist, wie lange ein Arbeitgeber bis zur Löschung/Vernichtung zuwarten darf. Teilweise wird vertreten, dass eine Speicherzeit von bis zu 3 Jahre in Anlehnung an die gesetzlichen Verjährungsfristen zulässig sei. Nach überwiegender Ansicht in der juristischen Fachliteratur ist die Frist jedoch kürzer zu bemessen, wobei auch hier unterschiedliche Zeiträume von 2 bis zu 10 Monaten für zulässig erachtet werden. U.E. sprechen gute Gründe dafür, dass die personenbezogenen Bewerberdaten für eine Dauer von 2 Monaten ab Zugang der Ablehnung beim Bewerber gespeichert werden dürfen. Hintergrund ist die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) für die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen abgelehnter Bewerber vorgesehene zweimonatige Frist. Der Zugang zu den personenbezogenen Daten abgelehnter Bewerber sollte überdies so beschränkt werden, dass diese Daten nur einzelnen Personen zugänglich sind.

Die Daten von interessanten Bewerbern, denen nicht sofort ab- oder zugesagt werden soll, dürfen Arbeitgeber nach herrschender Ansicht nicht ohne weiteres in einem Bewerberpool sammeln. Das Anlegen einer Bewerberdatenbank ist nur mit wirksamer Einwilligungserklärung des Betroffenen möglich. Die Einwilligung muss grundsätzlich schriftlich (nicht per E-Mail) und jedenfalls freiwillig abgegeben werden. Außerdem muss auf den Zweck der Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Daten hingewiesen werden.

Arbeitgeber sind gut beraten, die oft unterschätzten Vorgaben des BDSG beim Umgang mit Bewerberdaten einzuhalten, da bei Verstößen Bußgelder von bis zu 300.000 € und sogar eine Strafbarkeit drohen.

Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek

Urlaubsanspruch – Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers in Bezug auf den Erholungsurlaub wegen Elternzeit wurde geändert

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 19.05.2015 (9 AZR 725/13) seine bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsmöglichkeit des Arbeitgebers in Bezug auf den Erholungsurlaub wegen Elternzeit geändert.

Das BAG hat festgestellt, dass die Regelung in § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, wonach der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen kann, keine Anwendung mehr findet, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Dies bedeutet, dass der Arbeitnehmer die finanzielle Abgeltung des vollen Erholungsurlaubsanspruchs – ohne Kürzungsmöglichkeit für den Zeitraum der Elternzeit – verlangen kann.

Empfehlung: Der Arbeitgeber sollte von der ihm gem. § 17 BEEG eingeräumten Kürzungsbefugnis unbedingt zum frühest möglichen Zeitpunkt Gebrauch machen. Die früheste Möglichkeit eine entsprechende Erklärung abzugeben, ist der Zeitpunkt des Elternzeitverlangens. Der Arbeitgeber sollte sicherstellen, dass er den Zugang einer entsprechenden Kürzungserklärung beim Arbeitnehmer beweisen kann.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M.

„Ewiges″ Widerspruchsrecht bei Lebens- und Rentenversicherungsverträgen

Wir hatten in unseren Newslettern 2/2014 und 3/2014 berichtet, dass dem Zustandekommen von Lebens- und Rentenversicherungsver trägen, die zwischen Mitte 1994 und Ende 2007 abgeschlossen wurden, ohne zeitliche Begrenzung widersprochen werden kann. Voraussetzung ist, dass die Versicherungsbedingungen nicht zusammen mit dem Versicherungsantrag übergeben wurden und der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt wurde. Der Widerspruch hat zur Folge, dass der Versicherer einen Großteil der Versicherungsprämien zuzüglich Verzinsung erstatten muss, was in der Summe häufig einen höheren Betrag ergibt als der bei Kündigung des Vertrages auszubezahlende Rückkaufswert. Der Bundesgerichtshof hat am 08.04.2015 über die bislang streitige Frage der Verjährung des Beitragsrückerstattungsanspruchs entschieden. Er hat geurteilt, dass die Verjährungsfrist erst mit der Erklärung des Widerspruchs zu laufen beginnt. Ein Widerspruch ist somit auch noch Jahre bzw. Jahrzehnte nach dem Vertragsschluss möglich.

Dr. Volker Nill 

Fehleinschätzung des Auftraggebers und Aufhebung

Bei einer Ausschreibung im offenen Verfahren hatte ein Auftraggeber für die Montage des Überbaus einer Brücke den Einsatz von zwei Schwerlastkränen vorgesehen. In der einschlägigen LV-Position war die Montage entsprechend beschrieben und gleichzeitig klargestellt, dass auch eine gleichwertige Leistung angeboten werden dürfe. Als der günstigste Bieter die Montage mit einem Kran und einem Modultransporter anbot, schloss die Vergabestelle dieses Angebot als nicht zugelassenes Nebenangebot aus und hob die Ausschreibung auf. Zu Unrecht, wie die Vergabekammer Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 20.04.2015 entschieden hat. Es habe sich bei der angegebenen Montagetechnologie um eine technische Spezifikation gemäß § 7 EG Abs. 8 VOB/A gehandelt, die eine gleichwertige Ausführung – wie sie vom Bieter angeboten wurde – zulasse. Die Ausschreibung habe nicht wegen der nachträglich erkannten Montagemöglichkeit mit einem Kran und einem Modultransporter aufgehoben werden dürfen, um die Vergabeunterlagen grundlegend zu ändern. Denn eine vom Auftraggeber zunächst nicht erkannte Ausführungsvariante liege in seinem Verantwortungsbereich und könne die Aufhebung nicht rechtfertigen. Zwar steht dem Bieter kein Anspruch auf Zuschlagserteilung zu, jedoch kann er Schadenersatzansprüche geltend machen.

Dr. Lars Knickenberg 

Anwendbarkeit von alten Bebauungsplänen

Die planungsrechtliche Zulässigkeit von Bauvorhaben richtet sich oftmals nach Bebauungsplänen, die aus einer Zeit vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes am 29.06.1961 stammen. Diese alten Pläne gelten grundsätzlich fort, wenn sie einen Inhalt haben, der nach dem am Tag der Überleitung geltenden Recht Inhalt eines Bebauungsplans sein konnte und die entsprechenden Regelungen zum Zeitpunkt ihrer Aufstellung das Ergebnis einer sachgerechten Abwägung der damals beachtlichen Belange waren sowie ein rechtlich nicht zu beanstandendes Abwägungsergebnis darstellten. In einigen Fällen, insbesondere wenn solche alten Pläne auf einem Grundstück das Baurecht beschränken oder ganz ausschließen, lohnt sich die Prüfung einer wirksamen Überleitung. Das gilt namentlich auch dann, wenn diese Pläne von der Baurechtsbehörde über Jahrzehnte unbeanstandet angewendet wurden. In einem aktuellen Urteil hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass ein Bebauungsplan der Stadt Stuttgart aus dem Jahr 1935, der in der Vergangenheit Grundlage einer Vielzahl baubehördlicher Entscheidungen war, nicht überleitungsfähig gewesen sei, weil er Ergebnis einer fehlerhaften Abwägung war. Dass die Unwirksamkeit entgegen einer entsprechenden Regelung aus Mitte der 1980er Jahre nicht innerhalb von sieben Jahren gegenüber der Gemeinde geltend gemacht wurde, war aus Sicht des Gerichts unerheblich. Diese Regelung sei auf städtebauliche Pläne, die vor Inkrafttreten des Bundesbaugesetzes erlassen wurden, nicht anwendbar. Gegen die Entscheidung ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Dr. Nadine Holzapfel 

Sonderzulassung zur belegärztlichen Tätigkeit

Krankenhausträger in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, haben das Angebot zum Abschluss von Belegarztverträgen auszuschreiben. Kommt ein solcher Belegarztvertrag mit einem im Planungsbereich bereits niedergelassenen Vertragsarzt nicht zustande, kann der Krankenhausträger mit einem im Planungsbereich nicht niedergelassenen geeigneten Arzt einen Belegarztvertrag schließen. Dieser erhält eine auf die Dauer der belegärztlichen Tätigkeit beschränkte Zulassung; die Beschränkung entfällt bei Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren. Die Zulassungsgremien haben bei der Zulassung eines externen Bewerbers insbesondere zu prüfen, ob der Krankenhausträger die belegärztliche Tätigkeit ordnungsgemäß ausgeschrieben hat und ob die Anforderungen an das Besetzungsverfahren erfüllt sind. Dabei darf das Anforderungsprofil nicht so speziell sein, dass es nur von einer bestimmten, nämlich der vom Krankenhausträger favorisierten Person erfüllt werden kann.

Dr. Ralf Kremer, Dr. Christian Wittmann, Prof. Dr. Hinner Schütze

Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft im Hinblick auf Nachbesetzung

Bei der Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes sind die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund werden nicht selten Berufsausübungsgemeinschaften zu dem Zweck gegründet, Einfluss auf die Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes zu nehmen. Das Bundessozialgericht hat sich in mehreren Urteilen mit einer solchen Konstellation befasst und u.a. herausgearbeitet, dass eine vom Zulassungsausschuss für Ärzte erteilte Genehmigung einer (überörtlichen) Berufsausübungsgemeinschaft von Dritten nicht angefochten werden kann. Eine Anfechtungsberechtigung des Dritten kommt unter keinen Umständen in Betracht, so dass ein entsprechender defensiver Konkurrentenwiderspruch oder eine defensive Konkurrentenklage bereits unzulässig wäre. Allerdings wird die Möglichkeit einer missbräuchlichen Nutzung der Organisationsform „Berufsausübungsgemeinschaft″ im Nachbesetzungsverfahren nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dadurch eingeschränkt, dass den Interessen der verbleibenden Ärzte nach einer nur sehr kurzen und nicht sehr intensiven Zusammenarbeit in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft nur ein entsprechend geringes Gewicht bei der Auswahlentscheidung beizumessen ist.

Dr. Ralf Kremer, Dr. Christian Wittmann, Prof. Dr. Hinner Schütze

(Keine) Anwendbarkeit des Kartellrechts auf Tarifverträge

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 04.12.2014 zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Umständen das Kartellrecht auf Tarifverträge Anwendung findet, in denen auch Regelungen zur Vergütung von „Scheinselbständigen″ enthalten sind. In dem zugrunde liegenden Verfahren hatten ein Gewerkschaftsverband und ein Arbeitgeberverband darüber gestritten, ob in einen Tarifvertrag Mindestvergütungen für Scheinselbständige aufgenommen werden können. Der Arbeitgeberverband hatte dies mit dem Argument abgelehnt, Scheinselbständige seien Unternehmen im Sinne des Kartellrechts, weshalb entsprechende tarifvertragliche Regelungen in den Anwendungsbereich des Kartellrechts fielen. Der Europäische Gerichtshof bestätigt, dass tarifvertragliche Bestimmungen zugunsten von Arbeitnehmern vom Kartellrecht ausgenommen sind. Diese Ausnahme erstreckt er nun auch auf „Scheinselbständige″ im Sinne des Rechts der Europäischen Union, d.h. auf Personen, die sich nach unionsrechtlichen Maßstäben in einer vergleichbaren Situation wie Arbeitnehmer befinden. Die Definition ist nicht zwingend identisch mit der Definition der Scheinselbständigen oder der arbeitnehmerähnlichen Personen, wie sie etwa in Deutschland verwendet werden. Mit seiner Entscheidung stärkt der Europäische Gerichtshof die Rechte der Tarifvertragsparteien, die Mindesttarife ohne kartellrechtliche Bedenken auch für Personen vereinbaren können, die die entsprechenden Kriterien erfüllen. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil, dass Vereinbarungen, die tatsächlich selbständige Leistungserbringer betreffen, der kartellrechtlichen Kontrolle unterliegen.

Dr. Martin Beutelmann, LL.M., Christine Kläger

Grundsätze zur Zuständigkeit bei Kartellschadenersatzklagen

Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 21.05.2015 wichtige Grundsätze zur örtlichen Zuständigkeit für Schadenersatzklagen formuliert. Er bestätigte, dass ein kartellgeschädigtes Unternehmen zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen seine Schadenersatzklage gegen mehrere Kartellbeteiligte vor einem einzigen Gericht erheben kann, sofern ein Kartellbeteiligter (der sogenannte „ Ankerbeklagte″) am Gerichtsort seinen Sitz hat. Auch eine spätere Rücknahme der Klage gegen den Ankerbeklagten berühre die Zuständigkeit nicht, sofern die Klageeinreichung nicht missbräuchlich erfolgt sei. Alternativ kann Schadenersatz am Gründungsort des Kartells oder am Ort einer maßgeblich ursächlichen Kartellabsprache geltend gemacht werden. Auch der Sitz des geschädigten Unternehmens kommt – als Ort des Schadenseintritts – in Betracht, allerdings soll dort nur der Schaden des betreffenden Unternehmens geltend gemacht werden können. Auf anderweitige Gerichtstandsvereinbarungen, z. B. in Lieferverträgen, könne sich ein Kartellbeteiligter nur berufen, wenn für den Geschädigten ausreichend deutlich erkennbar gewesen sei, dass diese sich auch auf eine deliktische Haftung aus Kartellverstößen beziehen.

Dr. Martin Beutelmann, LL.M., Christine Kläger

Sammelklage gegen Zementhersteller abgewiesen

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 18.02.2015 die Kartellschadenersatzklage der belgischen CDC (Cartel Damage Claims S.A.) gegen Mitglieder des sogenannten „Zementkar tells″ abgewiesen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf begründet sein Urteil insbesondere mit der Sittenwidrigkeit des von der CDC praktizierten Geschäftsmodells. Die CDC, ein auf die Geltendmachung von Kartellschäden spezialisiertes Unternehmen, hatte sich von Abnehmern der Kartellanten Schadenersatzansprüche im Wert von über 100 Mio. € abtreten lassen und diese eingeklagt. Nach Ansicht des Gerichts waren diese Forderungsabtretungen sittenwidrig, weil die CDC nicht über ausreichende finanzielle Ressourcen verfügte, um im Fall des Unterliegens die Prozesskosten der beklagten Zementhersteller erstatten zu können. Die CDC sei missbräuchlich als vermögensloses Klagevehikel im Prozess vorgeschoben worden, um das Prozesskostenrisiko zu minimieren. Da die CDC somit nicht Inhaberin der Ansprüche sei, fehle ihr nicht nur die Aktivlegitimation. Ihre Klageerhebung habe auch nicht zur Hemmung der Verjährung führen können, so dass die Ansprüche nun verjährt seien. Mit seinem Urteil hat das Oberlandesgericht Düsseldorf zwar dem konkreten Geschäftsmodell der CDC eine Absage erteilt, nicht aber generell der Abtretung von Schadenersatzansprüchen zum Zwecke ihrer kollektiven Geltendmachung.

Dr. Martin Beutelmann, LL.M., Christine Kläger