Höhe der Ausbildungsvergütung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 29.04.2015) hat klargestellt, dass Auszubildende einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung haben (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 BBiG). Unterschreitet die vereinbarte Ausbildungsvergütung jedoch den einschlägigen Tarifvertrag um mehr als 20 %, ist dies in der Regel nicht mehr angemessen.

Falls Arbeitgeber die nach dem einschlägigen Tarifvertrag übliche Ausbildungsvergütung um mehr als 20 % unterschreiten wollen, ist dies nur ausnahmsweise möglich und bedarf einer sachlichen Begründung. Der Ausbildende muss dabei konkret darlegen, welche besonderen Umstände die geringere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M., Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek, Nadine Crocoll

Mindestlohn auch bei Entgeltfortzahlung an Feiertagen und Arbeitsunfähigkeit

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 13.05.2015) hat entschieden, dass die Höhe der Entgeltfortzahlung an Feiertagen und im Krankheitsfall nach den jeweils geltenden Mindestlohnvorschriften berechnet wird. Im entschiedenen Fall ging es um eine Mitarbeiterin, deren Arbeitsverhältnis kraft einer Mindestlohnverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales dem Geltungsbereich des Tarifvertrags zur Regelung des Mindestlohns für pädagogisches Personal (TV-Mindestlohn) unterfiel. Die beklagte Arbeitgeberin bezahlte zwar für tatsächlich geleistete Arbeitsstunden und für die Urlaubszeit die tarifvertraglich vorgesehene Mindeststundenvergütung, nicht aber für Feiertage und bei Arbeitsunfähigkeitszeiten. Für diese fehlte eine ausdrückliche Regelung im Tarifvertrag. Allerdings entschied das BAG, dass gleichwohl kein Raum für eine individualvertraglich vereinbarte geringere Vergütungen in den genannten Fällen besteht.

Unseres Erachtens lässt sich diese Entscheidung auch für den seit 01.01.2015 geltenden gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € brutto pro Stunde übertragen. Zwar ist nach Gesetzesbegründung und der geltenden Fälligkeitsregelung grundsätzlich die tatsächlich erbrachte Arbeitsstunde maßgeblich. Gleichwohl spricht die oben genannte Entscheidung dafür, dass auch bei Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen mindestens 8,50 € brutto für jede ausgefallene Arbeitsstunde gezahlt werden müssen, sofern ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht.

Eine Abweichung zu Lasten des Arbeitnehmers wäre demnach nicht zulässig und kann überdies zu erheblichen Bußgeldzahlungen führen.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, LL.M., Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Sebastian Scheffzek, Nadine Crocoll

Übernahme von Büro-Referenzen

Ein wichtiges „Asset” von Architekten- und Ingenieurbüros sind in der Vergangenheit abgewickelte Projekte. Diese Büro-Referenzen werden bei der Bewerbung um neue Aufträge nicht zuletzt in förmlichen Vergabeverfahren benötigt. Sie gehen nach nun inzwischen gefestigter Rechtsprechung der Vergabekammern nicht verloren, wenn z. B. gesellschaftsrechtliche Veränderungen erfolgen: z. B. kann sich ein neu gegründetes Architektur- oder Ingenieurbüro auf Referenzen des Vorgängerbüros berufen, wenn die Bearbeiter der früheren und des künftigen Projekts identisch sind. Referenzen sind in erster Linie personengebunden. Dies gilt insbesondere in VOF-Verfahren. Entscheidend ist, welchen Beitrag der jeweilige Mitarbeiter im Rahmen der Erarbeitung erbracht und welche Phasen des entsprechenden Projekts er begleitet hat. Erforderlich ist also eine zumindest weitgehende Identität zwischen den Personen, welche die Referenzaufträge bearbeitet haben und denjenigen, die den zu vergebenden Auftrag bearbeiten werden. Ist dies gegeben, können Referenzen von Vorgängerbüros ohne Bedenken verwendet werden.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Weigerung des Bauherrn zur Mitwirkung berechtigt Architekt zur außerordentlichen Kündigung

Im Gegensatz zum Bauherrn kann sich der Architekt nicht ohne weiteres vom Vertrag lösen. Hierfür bedarf es eines schwerwiegenden Vertragsverstoßes durch den Bauherrn. Ein solcher liegt nach Entscheidung des OLG Frankfurt vom 05.02.2015 (Az. 23 U 203/12) vor, wenn der Bauherr die gebotene Mitwirkungshandlung bei der Bauleitung verweigert.

Das Gericht teilte die Auffassung des Bauherrn nicht, dass die alleinige Kommunikation über Schriftverkehr mit einem Architekten für die Koordination einer Baustelle ausreicht. Es bezeichnete diese Annahme als nicht der Lebenswirklichkeit auf einer Baustelle entsprechend und erklärte die Kündigung des Architekten für wirksam.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

BFH-Urteil gilt auch für HOAI 2013

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 14.05.2014 (Az. VIII R 25/11) entschieden, dass die Gewinnrealisierung bei Planungsleistungen nicht erst mit der Abnahme oder Stellung der Honorarschlussrechnung eintritt, sondern bereits dann, wenn der Anspruch auf Abschlagszahlung nach § 8 Abs. 2 HOAI 1996 entstanden ist.

Da § 15 Abs. 1 n.F. seit der jüngsten HOAI-Novelle erstmals die Abnahme als Voraussetzung für die Fälligkeit des Honorars vorsieht, wurde vielfach die Auffassung vertreten, das BFH-Urteil gelte nicht für Verträge, die der HOAI 2013 unterliegen. Dies trifft nicht zu, wie das BFM inzwischen mitgeteilt hat: Die obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder haben entschieden, dass die Grundsätze aus der BFH-Entscheidung auch auf Abschlagszahlungen nach § 15 Abs. 2
HOAI 2013 und darüber hinaus auf Abschlagszahlungen nach § 632 a BGB anzuwenden sind. Das BFH-Urteil ist daher einheitlich auf alle von Architekten und Ingenieure zu erbringende Werkleistungen anzuwenden, unabhängig von der zu Grunde liegenden Fassung der HOAI und auch unabhängig davon, ob es sich um Grundleistungen, Besondere Leistungen oder Beratungsleistungen handelt.

Zur Vermeidung von unbilligen Härten lässt es die Finanzverwaltung zu, dass der aus der erstmaligen Anwendung des Urteils resultierende Gewinn gleichmäßig auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung des Urteils und das darauf folgende Wirtschaftsjahr oder auf das Wirtschaftsjahr der erstmaligen Anwendung des Urteils und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre verteilt wird.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Ingenieurvertrag schützt Dritte

Grundsätzlich entfalten Verträge nur Wirkungen zwischen den Parteien. Ein Dritter kann sich also zur Begründung eigener Schadensersatzansprüche nicht auf die Bestimmungen des Vertrages berufen. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Vertrag für den Dritten Schutzwirkung entfaltet. Dies ist immer dann der Fall, wenn er mit der (unzureichenden) Leistung aus dem Vertrag bestimmungsgemäß wie ein Vertragspartner in Berührung kommt. Unmittelbar einleuchtend ist dies z.B. beim Mietvertrag: Auch die Angehörigen des Mieters kommen bestimmungsgemäß mit der Leistung des Vermieters in Berührung und sind daher in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogen. Sie können daher aus dem Mietvertrag eigene Rechte gegen den Vermieter herleiten, auch wenn sie selbst nicht Partei desselben sind.

Auch Architekten- und Ingenieurverträge können Schutzwirkungen mit der Folge enthalten, dass eine vertragliche Haftung des Architekten oder Ingenieurs für Schäden in Betracht kommt, die nicht der Auftraggeber sondern Dritte in Folge mangelhafter Leistung erleiden. So entfaltet nach einer aktuellen Entscheidung des BGH (Az. VII ZR 173/13) ein Ingenieurvertrag über Planungsleistungen im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bodenverbesserung Schutzwirkung zu Gunsten des späteren Grundstückserwerbers, der am Vertrag selbst nicht beteiligt ist.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Zusammentreffen von Fehlern: Wer haftet?

Treffen bei einem Bauwerk mehrere Fehler aufeinander, stellt sich die Frage, welcher Fehler konkret zum Eintritt des Schadens geführt hat. Relevant wird dies, wenn die Fehler von verschiedenen am Bau Beteiligten, insbesondere Planern, begangen wurden. In einem jüngst vom OLG Düsseldorf entschiedenen Rechtsstreit (Az. 21 O 42/12) erstellte ein Ingenieurbüro die Systemstatik für zwei Schiffsentladebunker. Dabei berücksichtigte es nicht das tatsächliche Tragwerksverhalten der Konstruktion, mit der Folge, dass die auf die Auflagekonsolen einwirkenden Torsionskräfte mit Null angenommen wurden. Der Bauherr sah daher davon ab, für die notwendigen Schraubbefestigungen eine Detailstatik zu erstellen. Einer der Bunker stürzte nach seiner Errichtung ein.

Das OLG Düsseldorf sprach dem Bauherrn Schadenersatz gegen das Ingenieurbüro zu. Obwohl unmittelbare Ursache für den Einsturz die fehlerhafte Bemessung der Schraubbefestigungen war, erachtete das OLG den Fehler in der Systemstatik als noch adäquat kausal für den Einsturz des Bunkers, da die Bemessung der Befestigungen auf den Vorgaben der fehlerhaften Systemstatik aufbaute. Dass keine Dateistatik erstellt wurde, im Zuge derer der Fehler in der Systemstatik hätte erkannt werden müssen, erachtete das OLG Düsseldorf nicht als Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs.

An der Entscheidung wird deutlich, dass Planer regelmäßig nicht dadurch entlastet werden, dass andere an Planung und Bau Beteiligte auf ihren Planungsleistungen aufbauen und den Fehler „fortschreiben”. Die Kausalität des Fehlers entfällt bei hinzutretenden Fehlern erst dann, wenn die weiteren Fehler im Hinblick auf den eingetretenen Schaden so stark in den Vordergrund treten, dass die Erstursache vollständig verdrängt und der Schaden dem Erstschädiger nicht mehr zugerechnet werden kann.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Architekt haftet für unzureichende Absturzsicherung des Bauunternehmers

Obwohl der Bauunternehmer primär für die Sicherheit auf der Baustelle sorgen muss, haftet auch der bauüberwachenden Architekt für Unfälle durch Gefahrenquellen auf der Baustelle (BGH, Urteil vom 18.11.2014 – VI ZR 47/13). Trifft der Architekt keine angemessenen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Personen, verletzt er seine Verkehrssicherungspflicht. Im zugrundeliegenden Fall war ein vom Bauunternehmer eingesetzter Leiharbeitnehmer von einer ungesicherten Absturzkante gestürzt. Die Gefahrenlage war Architekt und Bauunternehmer bekannt.

Der Architekt berief sich darauf, dass er den Bauunternehmer rechtzeitig auf die Gefahrenquelle hingewiesen hatte. Das Gericht sah darin jedoch keine ausreichende Gewähr, dass Dritte nicht zu Schaden kommen würden. Ohne ausdrückliche Anweisung und Kontrolle, durfte der Architekt nicht darauf vertrauen, dass der Bauunternehmer rechtzeitig besondere Schutzvorkehrungen trifft. Das Gericht sah eine typische Gefahr verwirklicht, die mit der Abfolge verschiedener Gewerke und dem Tätigwerden einer Vielzahl von Personen bei der Errichtung des Bauwerks verbunden ist.

Mit der Bauüberwachung beauftragte Architekten und Ingenieure sollten darauf achten, dass erkennbare Gefahrenquellen unverzüglich gesichert werden. Gegebenenfalls müssen die Arbeiten in diesen Bereichen eingestellt werden. Die bloße Mitteilung an den verantwortlichen Bauunternehmer genügt nicht.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Doppelte Berücksichtigung von anrechenbaren Kosten

Bei der Berechnung des Honorars des Objektplaners werden die Kosten für Technische Anlagen (ggf. gemindert) angerechnet (§§ 33 Abs. 2, 42 Abs. 2 HOAI 2013). Dies gilt auch dann, wenn der Auftragnehmer die Technischen Anlagen nicht plant oder ihre Ausführung nicht überwacht.

Wird dem Objektplaner aber auch die Fachplanungsleistung der Technischen Ausrüstung übertragen, wird zum Teil vertreten, dass die Kosten der Technischen Ausrüstung bei der Objektplanung nicht in Ansatz kommen dürften, da sie anderenfalls doppelt berücksichtigt würden. Dies ist schon deshalb unrichtig, weil es sich bei Objektplanung und Technischen Anlagen um Objekte aus unterschiedlichen Leistungsbildern handelt, die stets getrennt voneinander und nach eigenen anrechenbaren Kosten abzurechnen sind. Die Regelungen in §§ 33 Abs. 2, 42 Abs. 2 HOAI 2013 sind so zu verstehen, dass die Kosten der Technischen Anlagen „auch dann” anzurechnen sind, wenn der Objektplaner insoweit keine Leistungen erbringt. Dieser Auffassung hat sich inzwischen auch das OLG Celle (Az.14 U10/14) angeschlossen: Der Objektplaner, der zugleich Leistungen der Technischen Ausrüstung erbringt, erhält sowohl das nach diesem Leistungsbild berechnete Honorar als auch eine über die zitierten Vorschriften erhöhte Vergütung für die Objektplanung.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen

Stufenverträge: Umrechnung auf HOAI 2013

Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH, dass bei der Bemessung des nach HOAI geschuldeten Mindestsatzhonorars die HOAI-Fassung anzuwenden ist, die im Zeitpunkt des Abrufs einer Vertragsstufe in Kraft ist, ergibt sich die Schwierigkeit, dass die „alten” Leistungsbilder der HOAI 2009 mit den von der HOAI 2013 vorgegebenen Honorarparametern zu bewerten sind. Diesen liegen allerdings geänderte Leistungsbilder zu Grunde. Daher sind die neuen Grundleistungen preisrechtlich zu eliminieren. Das zuständige Bundesministerium wird voraussichtlich bis Ende des Jahres entsprechende Umrechnungsfaktoren zur Verfügung stellen. Zumindest bis dahin kann auf andere Umrechnungsfaktoren zurückgegriffen werden, etwa die bei www.ibr-online.de abrufbaren sogenannten „FBS-Tabellen”. Dort ist auch ein entsprechendes Rechenprogramm abrufbar, das die Umrechnung des von der HOAI 2013 vorgegebenen Mindestsatzes auf die „alten” Leistungsbilder komfortabel ermöglicht.

Dr. Rainer Laux, Dr. Andreas Digel, Henrik Jacobsen