Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung bei Scheidung und Wiederverheiratung

Bei Lebensversicherungsver­trägen kann der Versicherungs­nehmer bestimmen, wer die Versicherungsleistung erhalten soll (sogenanntes Bezugsrecht). Häufig erfolgt eine Bezugs­rechtsbestimmung bereits im Versicherungsantrag. Die An­tragsformulare enthalten meist Auswahlmöglichkeiten wie bei­spielsweise „der Ehegatte“ oder für das Todesfallbezugsrecht auch „der verwitwete Ehegatte”.

Das im Versicherungsantrag bestimmte Bezugsrecht gerät häufig in Vergessenheit und wird während der Vertragslauf­zeit nicht geändert. Dies kann im Fall der Scheidung und Wie­derverheiratung unerwünschte Konsequenzen haben. Der Bun­desgerichtshof hat mit Urteil vom 22.07.2015 seine Recht­sprechung bestätigt, dass im Fall der Wiederverheiratung regelmäßig der geschiedene Ehegatte, der bei Bestimmung des Bezugsrechts mit dem Ver­sicherungsnehmer verheiratet war, Bezugsberechtigter bleibt, wenn keine Änderung des Be­zugsrechts erfolgt. Dies gelte sogar in dem Fall, dass als Be­zugsrecht im Todesfall „der ver­witwete Ehegatte” eingetragen werde, obwohl eine geschiede­ne Ehefrau eigentlich durch den Tod des Exgatten nicht zur Wit­we werden kann. Im Fall der Scheidung ist daher unbedingt zu prüfen, ob Bezugsrechte aus bestehenden Lebens­ oder Ren­tenversicherungsverträgen ge­ändert werden sollen.

Dr. Volker Nill

Kein Krankentagegeldanspruch bei Wiedereingliederung

Nach längerer Erkrankung wird von ärztlicher Seite häufig empfohlen, zunächst eine Wiedereingliederung in die berufli­che Tätigkeit durchzuführen. Gesetzlich Krankenversicherte gelten nach dem Sozialgesetz­buch während der Eingliede­rung weiterhin als arbeitsunfä­hig und haben einen Kranken­geldanspruch. Die Versiche­rungsbedingungen der privaten Krankentagegeldversicherung enthalten zumeist keine Rege­lung zur Wiedereingliederung, sondern sehen vor, dass jedwe­de berufliche Tätigkeit den Krankentagegeldanspruch aus­schließt. Der Bundesgerichts­hof hat mit Urteil vom 11.03.2015 entschieden, dass auch die Durchführung einer Wiedereingliederung zum Ent­fallen des Krankentagegeldan­spruchs führt.

Dr. Volker Nill

Neue Beschaffung oder Auftragserweiterung?

Nach einer europaweiten Aus­schreibung über den Betrieb von Erstaufnahmeeinrichtun­gen für Asylbewerber mit einer Unterbringungskapazität von bis zu 900 Plätzen wollte der Auftraggeber bis zu 350 weitere Unterbringungsplätze vom selben Auftragnehmer betrei­ben lassen, ohne diese Plätze auszuschreiben. Hierzu berief sich der Auftraggeber auf eine Regelung im Vertrag, nach der er vom Auftragnehmer zusätzli­che geeignete Unterbringungs­kapazitäten fordern konnte. Diese Regelung hielt das Ober­landesgericht Dresden in einem Beschluss vom 07.07.2015 für nicht ausreichend und ver­pflichtete den Auftraggeber, weitere Unterbringungsplätze in einem neuen Vergabeverfah­ren auszuschreiben. Zwar kön­nen Vertragsanpassungsklau­seln eine vergaberechtsfreie Auftragsänderung und ­-erwei­terung zulassen. Vorausset­zung hierfür ist aber, dass die Vertragsanpassungsklausel ein­deutig erkennen lässt, unter welchen Umständen der Ver­trag wann und wie geändert werden kann. Diesen Anforde­rungen hielt die Regelung im ursprünglichen Vertrag über bis zu 900 Unterbringungsplätze nicht stand.

Dr. Lars Knickenberg

Abstandsflächen im unbeplanten Innenbereich

Nach den bauordnungsrecht­lichen Vorschriften müssen Ge­bäude grundsätzlich Abstands­flächen auf dem eigenen Grund­stück einhalten. Eine Abstands­fläche ist lediglich dann nicht erforderlich, wenn nach den bauplanungsrechtlichen Vor­schriften eine Grenzbebauung vorgeschrieben oder zulässig ist. Planungsrechtliche Vorga­ben zum Bau auf die Grenze sind die geschlossene und die halboffene Bauweise. Liegt ein Vorhaben im unbeplanten In­nenbereich und ist die Eigenart der näheren Umgebung durch eine geschlossene Bauweise oder eine halboffene Bauweise geprägt, so fügt sich ein Vor­haben nur dann ein, wenn es ebenfalls in geschlossener oder halboffener Bauweise errichtet wird. In diesem Fall muss auf die Grenze gebaut werden. An­ders liegt der Fall, wenn in dem Gebiet nicht nur die geschlos­sene und halboffene Bauweise, sondern auch die offene Bau­weise vorzufinden ist. Dann besteht kein Zwang zu einer Grenzbebauung, eine solche kann aber zulässig sein. Bei ei­ner nur zulässigen Grenzbebau­ung ist die Errichtung eines Ge­ bäudes auf der Grenze ohne die Einhaltung von Abstandsflä­chen nur dann gestattet, wenn öffentlich­rechtlich gesichert ist, dass auf dem angrenzenden Nachbargrundstück ebenfalls auf die Grenze gebaut wird. Ei­ne solche Sicherstellung be­steht in der Regel nur, wenn ei­ne Baulast eingetragen ist, die dem Nachbarn eine Grenzbe­bauung auferlegt.

Nach einem Urteil des Ver­waltungsgerichtshofs Baden­-Württemberg vom 02.06.2015 ist eine öffentlich­rechtliche Si­cherstellung auch dann anzu­nehmen, wenn auf dem Nach­bargrundstück bereits ein Ge­bäude auf der Grenze errichtet wurde, von dessen Fortbestand ausgegangen werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der geplante Grenzbau in einer hinreichenden Beziehung zu dem vorhandenen Gebäude steht. Dies erfordert, dass sich die Gebäude in einem Maße überdecken, durch den der Ein­druck einer geschlossenen Bau­weise vermittelt wird. Demge­genüber reicht es nicht, dass irgendwo an der gemeinsamen Grundstücksgrenze ein Grenz­bau existiert.

Dr. Nadine Holzapfel

Mietkautionskonto

In einem Beschluss vom 09.06.2015 hat der Bundesge­richtshof festgestellt, dass die dem Vermieter vom Mieter überlassene Mietsicherheit auf einem offen als Treuhandkonto ausgewiesenen Konto angelegt werden muss, d. h. auf einem Sonderkonto („Mietkautions­konto”). Dieser Verpflichtung genügt der Vermieter nicht, wenn er die Mietsicherheit auf einem „normalen” Sparbuch anlegt. Hintergrund für diese Vermieterpflicht ist, dass die Mietsicherheit im Fall der Insol­venz des Vermieters geschützt und das Pfandrecht der Banken an dem Kautionskonto ausge­schlossen werden soll. Deshalb muss der Treuhandcharakter des Kautionskonto von vornhe­rein offen und eindeutig für je­den Gläubiger des Vermieters erkennbar sein.

Verena Gahn

Keine Eigenbedarfskündigung auf „Vorrat“

Die Kündigung eines Wohn­raummietvertrages wegen Ei­genbedarfs ist aus Sicht des Vermieters häufig eine ver­meintlich gute Möglichkeit, ei­nen unliebsam gewordenen Mieter loszuwerden. Eigenbe­darfskündigungen kommen je­doch nur in Betracht, wenn tat­sächlich konkreter Eigenbedarf besteht. Ein vages und noch unbestimmtes Interesse an ei­ner möglicherweise beabsich­tigten späteren Nutzung der Wohnung rechtfertigt eine Ei­genbedarfskündigung (noch) nicht, eine hierauf gestützte Vorratskündigung ist nach ei­nem Urteil des Bundesge­richtshofs vom 23.09.2015 un­wirksam. Der Vermieter muss deshalb sorgfältig prüfen, ob tatsächlich Umstände vorlie­gen, die eine Eigenbedarfskün­digung rechtfertigen. Er sollte auch darauf achten, dass der entsprechende Nutzungs­wunsch dargelegt und bewie­sen werden kann. Scheitert der Vermieter damit oder schiebt er einen Eigenbedarf nur vor, führt dies nicht nur zur Unwirk­samkeit seiner Kündigung. Vielmehr setzt der Vermieter sich damit auch Schadener­satzforderungen des Mieters aus.

Verena Gahn

Teil-­Berufsausübungsgemeinschaft

Am 25.03.2015 hat das Bun­dessozialgericht in zwei Entscheidungen Klarheit darüber geschaffen, in welchen Fallkon­stellationen eine Teil­-Berufs­ausübungsgemeinschaft in Be­tracht kommt.

1. Vorlage und Inhalt des Gesell­schaftsvertrages
Ebenso wie die Voll­-Berufs­ausübungsgemeinschaft bedarf auch die Teil­-Berufsausübungs­gemeinschaft der vorherigen Genehmigung durch den Zulas­sungsausschuss. Im Genehmi­gungsverfahren ist der Gesell­schaftsvertrag im Original und in vollständiger Form vorzule­gen, dessen Inhalt den Anfor­derungen der Ärzte­-ZV ent­sprechen muss. Der Vertrag ist so klar und nachvollziehbar zu gestalten, dass er ohne weite­res erkennen lässt, welchen Zwecken die Teil-Berufsaus­übungsgemeinschaft dienen soll. Im Übrigen muss dem Gesellschaftsvertrag zu ent­nehmen sein, welche durch die Gebührenziffern des EBM­Ä konkretisierten Leistungen im Einzelnen vergesellschaftet wer­den sollen. Etwaige Unklarhei­ten gehen zu Lasten der An­tragsteller.

2. Beschränkung auf „einzelne Leistungen”
Die Teil­-Berufsausübungsge­meinschaft darf nicht lediglich die gemeinsame Erbringung einer einzigen Leistung zum Inhalt haben. Auch eine „asym­metrische” Teil­-Berufsausübungs­gemeinschaft, bei der jeden­falls ein Vertragsarzt seine ge­samte ärztliche Tätigkeit verge­sellschaftet, ist unzulässig. Zu­lässig ist es, wenn Leistungsin­halte im Rahmen der Teil-­Be­rufsausübungsgemeinschaft er­bracht werden sollen, die dem Inhalt einer Zusatzweiterbil­dung entsprechen, sofern da­mit nicht die gesamte vertrags­ärztliche Tätigkeit eines Part­ners vergesellschaftet werden soll.

3. Keine Umgehung des Verbots einer Zuweisung gegen Ent­gelt
Das Recht zur Bildung von Teil­-Berufsausübungsgemein­schaften ist keine Ausnahme vom Verbot der entgeltlichen Patientenzuweisung. Vom Bun­dessozialgericht wurde deutlich hervorgehoben, dass beson­ders für den Fall einer Teil-Be­rufsausübungsgemeinschaft zwischen Zuweisern und Ope­rateuren – aber auch darüber hinaus – durch entsprechende vertragliche Regelungen si­chergestellt sein muss, dass die nichtoperativ tätigen Ärzte am Gesamtergebnis der Teil­-Be­rufsausübungsgemeinschaft nur in dem Verhältnis beteiligt werden, der dem Wert der von ihnen erbrachten Leistungen zum Wert der Gesamtleistun­gen entspricht.

Dr. Ralf Kremer, Dr. Christian Wittmann, Prof. Dr. Hinner Schütze

Entflechtung nach Freigabe wegen falscher Angaben

Auf Betreiben des Bundeskar­tellamts wurden im Oktober 2015 die zwei größten deut­schen Biomolkereien entfloch­ten. Zuvor hatte das Bundes­kartellamt festgestellt, dass die Parteien im Rahmen des Fusi­onskontrollverfahrens im Jahr 2011 unrichtige Angaben gemacht hatten. Insbesondere seien die Markverhältnisse „nicht im Ansatz zutreffend wiedergegeben” und unvoll­ständige Angaben zu Einfluss­möglichkeiten auf weitere Ge­sellschaften gemacht worden. Nachdem das Bundeskartellamt den Beteiligten die Ergebnisse seiner Ermittlungen mitgeteilt hatte, sagten diese zu, die Ent­flechtung innerhalb vorgegebe­ner Frist eigenverantwortlich umzusetzen. Das Bundeskar­tellamt weist außerdem darauf hin, dass eine Anmeldung, die unrichtig oder unvollständig ist, mit einem Bußgeld geahndet werden kann.

Dr. Martin Beutelmann, LL.M., Christine Kläger

Datentransfer in die USA

Der Europäische Gerichtshof entschied am 06.10.2015, dass die Übermittlung von personen­bezogenen Daten in die USA mittels des sogenannten Safe­-Harbor-­Abkommens nicht mehr zulässig ist. Die aus Sicht der deutschen Datenschutzbehörden noch zulässigen Wege für einen Datentransfer in die USA sind in einem Positionspapier vom 26.10.2015 aufgelistet. Dem­nach können Daten nur dann übertragen werden, wenn eine Einwilligung des Betroffenen oder eine bereits erteilte Ge­nehmigung für sogenannte verbindliche Unternehmensrege­lungen (BCR) vorliegt oder die sogenannten EU-­Standardver­tragsklauseln verwendet wer­den. Auch in diesen Fällen ha­ben die Datenschutzbehörden jedoch eine kritische Überprü­fung angekündigt.

Derzeit gilt:
1. Es ist nicht mehr möglich, personenbezogene Daten auf der Basis von „Safe Harbor” in die USA zu übermitteln.
2. Deutsche Aufsichtsbehör­den genehmigen derzeit keine Datentransfers auf der Basis neu geschaffener BCR.
3. Jeglicher Datentransfer auf der Grundlage bestehender BCR, aber auch auf Grundlage der Standardvertragsklauseln oder von Einwilligungen der Be­troffenen, wird an der Ent­schließung der Datenschutz­konferenz vom 27.03.2014 „Ge­währleistung der Menschen­rechte bei der elektronischen Kommunikation” und an der Orientierungshilfe „Cloud Com­puting” gemessen und von den Datenschutzbehörden über­prüft.

Dr. Thomas Weimann, Dr. Daniel Nagel, Manuel Kastner

Übersetzung bei Zustellung im Ausland

Gerichtliche Schriftstücke müs­sen innerhalb der europäischen Union zum Zwecke der Zustel­lung in eine Amtssprache des Ziellandes übersetzt werden, sonst kann der Empfänger die Annahme verweigern oder das Schriftstück binnen einer Wo­che zurücksenden. Zusätzlich muss die zustellende Behörde dem Schriftstück ein Formblatt beifügen, mit dem die Verwei­gerung der Annahme erklärt werden kann. Während die Übersetzung eine zwingende Voraussetzung für die Wirk­samkeit der Zustellung ist, ent­schied der Europäische Ge­richtshof nun mit Urteil vom 16.09.2015, dass das Fehlen des Formblatts für die Annah­meverweigerung keinen Grund für eine Nichtigkeit des Verfah­rens darstellt, sondern geheilt, also nachgeholt werden kann.

Praxistipp: Beim Erhalt von gerichtlichen Schriftstücken aus dem Ausland ist stets zu über­ prüfen, ob diese ins Deutsche übersetzt wurden.

Dr. Thomas Weimann, Dr. Daniel Nagel, Manuel Kastner