Mit dem Thema der Gesamtverantwortung befasst sich auch eine jüngere Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 22.10.2015 (Az. 23 U 4861/14). Gegenstand dieser Entscheidung war die Klage einer GmbH gegen zwei ehemalige (Fremd-) Geschäftsführer auf Rückzahlung rechtsgrundlos an sich gezahlter Vergütung.
Die ehemaligen Geschäftsführer, die Beklagten zu 1 und 2, zahlten an sich eine höhere Vergütung aus, als von der Gesellschaft geschuldet. Die Gesellschaft erteilte den Beklagten zu 1 und 2 in zwei Gesellschafterversammlungen nachfolgend Entlastung. Hierbei wurde sie von dem Beklagten zu 2, dem Vorstandsvorsitzenden der Alleingesellschafterin, vertreten. Dieser war nach der Satzung der Alleingesellschafterin zwar im Außen-, nicht aber Innenverhältnis berechtigt, die Alleingesellschafterin einzeln zu vertreten. Nachdem die anderen Vorstandsmitglieder der Alleingesellschafterin von den Zahlungen Kenntnis erlangt hatten, klagten sie im Namen der GmbH gegen die beiden Beklagten auf Rückzahlung der rechtsgrundlos erlangten Vergütung.
Das Landgericht gab der Klage statt und verurteilte die beiden Beklagten gesamtschuldnerisch zur Rückzahlung der rechtsgrundlos erlangten Vergütung. Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zu 1 hatte in vollem Umfang Erfolg. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts München wurde dem Beklagten zu 1 in den Gesellschafterversammlungen wirksam Entlastung erteilt. Durch die Entlastung ist die Gesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen mit solchen Ansprüchen ausgeschlossen, die für die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennbar sind (ständige Rechtsprechung). Erkennbarkeit lag nach Auffassung des Oberlandesgerichts München vor, da der Beklagte zu 2 die Alleingesellschafterin bei der Fassung des Entlastungsbeschlusses im Außenverhältnis wirksam vertrat.
Die Berufung des Beklagten zu 2 wies das Oberlandesgericht dagegen weitestgehend zurück und hielt das landgerichtliche Urteil, das den Beklagten zu 2 verurteilte, die an ihn und den Beklagten zu 1 rechtsgrundlos gezahlte Vergütung zurückzuzahlen, aufrecht, da sich der Beklagte zu 2 nicht selbst wirksam Entlastung erteilen könne und – das ist entscheidend – nicht nur für die an ihn, sondern im Rahmen der Gesamtverantwortung der Geschäftsführung auch für die an den weiteren Geschäftsführer, den Beklagten zu 1, rechtsgrundlos und erkennbar pflichtwidrig gezahlte Vergütung hafte. Bei mehreren Geschäftsführern hafte jeder der Geschäftsführer auf Schadenersatz, wenn er einen für ihn erkennbaren Pflichtverstoß eines Mitgeschäftsführers nicht verhindere oder unterbinde.
Hinweis für die Praxis:
Die Entscheidung des OLG München zeigt zum einen, wie weitreichend die Folgen der Entlastung sind. Zum anderen zeigt sie, wie haftungsträchtig das Prinzip der Gesamtverantwortung ist. Gehaftet wird nicht nur für eigenes Fehlverhalten, sondern auch für das Fehlverhalten der Mitgeschäftsführer. Das gilt auch im Falle der Ressortaufteilung. Entscheidend ist aber, dass der Pflichtverstoß des Mitgeschäftsführers „erkennbar” sein muss. Die Beschränkung der ausufernden Haftung auf „erkennbare” Pflichtverstöße ist zu begrüßen.
Dr. Ulrich-Peter Kinzl, Dr. Lisa Ames, Daniela Rentz