Wertungskriterien und Mindestanforderungen an Nebenangebote im Unterschwellenbereich

In einem Beschluss vom 10.05.2016 hat der Bundesgerichtshof zum einen seine Rechtsprechung bestätigt, dass die ausschreibende Stelle keine an Nebenangebote zu stellenden Mindestanforderungen benennen muss. Während solche Mindestanforderungen im Anwendungsbereich des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zwingend vorzugeben sind (siehe z.B. § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 lit. b) VOB/A), gibt es keine entsprechenden Bestimmungen für Vergaben im Unterschwellenbereich. Deshalb reicht es aus, wenn die Vergabestelle vorgibt, dass Ausführungsvarianten eindeutig und erschöpfend zu beschreiben sind und alle Leistungen umfassen müssen, die zu einer einwandfreien Ausführung erforderlich sind.

Zum anderen hat sich der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 10.05.2016 mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Vergabestelle im Unterschwellenbereich Wertungskriterien bereits vor der Veröffentlichung der Ausschreibung festlegen muss, falls sie nicht den Preis zum einzigen Wertungskriterium erhebt. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof nur unter der Voraussetzung bejaht, dass das wirtschaftlichste Angebot ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs wird es sich vielfach objektiv bestimmen lassen, anhand welcher Kriterien die Vergabestelle Nebenangebote werten wird, so dass keine Gefahr einer intransparenten Vergabeentscheidung bestehe. Hier sei stets auf den Einzelfall abzustellen. Lege die ausschreibende Stelle Wertungskriterien im Vorfeld fest, müssten diese auch bekannt gemacht werden.

Im Unterschwellenbereich ist der öffentliche Auftraggeber bei der Berücksichtigung von Nebenangeboten und der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots freier als im Oberschwellenbereich. Diese Freiheit kann allerdings zu Unsicherheiten führen. Deshalb kann es im Einzelfall durchaus hilfreich sein, sich auch im Unterschwellenbereich an den Vorschriften zu orientieren, die im Oberschwellenbereich gelten, also z.B. Mindestanforderungen an Nebenangebote vorzugeben und Wertungskriterien festzulegen.

Dr. Lars Knickenberg

Haftung des Geschäftsführers bei M&A-Transaktionen

Mit Haftungsfragen hatte sich jüngst auch das OLG München befasst. Dieses hatte in einer Entscheidung vom 08.07.2015 (Az. 7 U 3130/14) darüber zu entscheiden, ob ein ehemaliger GmbH-Geschäftsführer für vermeintliche Schäden aus einer M&A-Transaktion haftet.

Die Klägerin, eine GmbH, nahm ihren ehemaligen Geschäftsführer, den Beklagten, aus eigenem und von ihrer Gesellschafterin abgetretenen Recht auf Schadenersatz in Höhe von 8 Mio. € in Anspruch. Die Klägerin machte hierbei den Schaden geltend, der ihr und ihrer Gesellschafterin dadurch entstanden sei, dass die von ihr gehaltenen Geschäfts- und Kommanditanteile im Rahmen eines Bieterverfahrens an den „ungünstigeren“ von zwei Bietern veräußert worden seien. Konkret stand der Vorwurf im Raum, dass der spätere Käufer eine für die Ermittlung der Kaufpreishöhe negative Methode zur Vorratsbewertung angewendet habe, über die der ehemalige Geschäftsführer der Klägerin deren Gesellschafterin, konkret das Präsidium des an der GmbH beteiligten eingetragenen Vereins, nicht informiert und nicht um Zustimmung zum Verkauf der Geschäfts- und Kommanditanteile gebeten habe. Die Klägerin und deren Muttergesellschaft waren der Auffassung, dass der Beklagte hierdurch seine Geschäftsführerpflichten gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG verletzt habe. Der Verein trat die seiner Auffassung nach bestehenden Schadenersatzansprüche gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer an die GmbH ab. Das LG München I und anschließend in der Berufungsinstanz das OLG München wiesen die Klage ab. Das OLG München stellte in dieser Entscheidung klar, dass sich im Einzelfall zwar auch aus der Konzernstruktur besondere Pflichten gegenüber Gremien der Muttergesellschaft ergeben könnten (Informationspflichten, Zustimmungsvorbehalte), vorliegend seien aber weder in der Satzung noch in der Geschäftsordnung solche Pflichten vorgesehen gewesen, sodass es bei dem auch in der Satzung der Klägerin verankerten Grundsatz verbleibe, dass der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft eigenständig und eigenverantwortlich führe, es daher schon an der Pflichtverletzung fehle. Für das Vorliegen einer solcher Pflichtverletzung im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG, das betonte das OLG München in dieser Entscheidung nochmals, sei nach der ständigen Rechtsprechung des BGH die Gesellschaft darlegungs- und beweispflichtig.

Hinweis für die Praxis:

Aus Sicht der Gesellschaft zeigt diese Entscheidung, dass es insbesondere in Konzernstrukturen erforderlich ist, für haftungsträchtige Sachverhalte wie M&A-Transaktionen klare Kompetenzen und Berichtswege zu definieren. Den Verhandlungsführern sollten praktikable Vorgaben an die Hand gegeben werden, welche Gremien zu informieren und welche Zustimmungsvorbehalte zu beachten sind. Weiter ist klar zu definieren, wie viel Spielraum die Verhandlungsführer haben sollen. Den Verhandlungsführern und Aufsichtsorganen ist hingegen dringend anzuraten, Entscheidungen stets schriftlich zu dokumentieren, um so im Streitfall das eigene, rechtmäßige Handeln darlegen und beweisen zu können.

Dr. Ulrich-Peter Kinzl, Dr. Lisa Ames, Daniela Rentz, Johannes Gugel, Aljoscha Schmidberger

Haftungsbeschränkung für Vereins- und Stiftungsvorstände durch Satzungsgestaltung

Mit der Frage, ob und inwieweit der Verschuldensmaßstab und damit die Haftung des Vereinsvorstandes durch die Satzung beschränkt werden kann, befasste sich in einer Entscheidung vom 13.11.2015 das OLG Nürnberg (Az. 12 W 1845/15).

Zu entscheiden war, ob eine in der Satzung vorgesehene Beschränkung der Haftung des Vereinsvorstandes gegenüber dem Verein nur für Vorsatz, womit eine Haftung für grob fahrlässiges Handeln ausgeschlossen war, zulässig ist. Das Registergericht hatte dies noch verneint. Dieses war der Auffassung, dass ein solcher Haftungsausschluss für grob fahrlässiges Handeln der zwingenden Regelung des § 31a Abs. 1 Satz 1 BGB widerspreche. Nach dieser Vorschrift haften Organmitglieder und besondere Vertreter, deren jährliche Vergütung den Betrag von 720,00 € nicht übersteigt, dem Verein nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Das OLG Nürnberg hob diese Entscheidung des Registergerichts auf und schloss sich der herrschenden Auffassung im Schrifttum an, wonach die Vorschrift des § 31a Abs. 1 Satz 1 BGB nur insoweit zwingend sei, als Abweichungen von der in § 31a Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehenen Haftungserleichterung zu Lasten der handelnden Organe unzulässig seien. Abweichungen zu Gunsten der handelnden Organe seien vorbehaltlich des Ausschlusses der Haftung für Vorsatz dagegen zulässig. Das OLG Nürnberg führt hierfür überzeugend den Sinn und Zweck der durch das Ehrenamtsstärkungsgesetz im Jahr 2013 eingeführten Vorschrift § 31a Abs. 1 Satz 1 BGB an. Dieser besteht in der Förderung des ehrenamtlichen Engagements, das nicht durch eine allzu scharfe Haftung konterkariert werden soll.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des OLG Nürnberg ist zu begrüßen. Sie schafft Rechtssicherheit und -klarheit. Sie beansprucht im Übrigen nicht nur Geltung für ehrenamtliche Vereinsvorstände, sondern auch ehrenamtliche Stiftungsvorstände. Beiden Personengruppen kann nur empfohlen werden, gegenüber dem Verein bzw. der Stiftung auf eine satzungsmäßige Haftungsfreizeichnung auch für grob fahrlässiges Handeln zu drängen oder auf eine solche vor Bestellung zum Organmitglied zu bestehen. Eine solche Regelung dürfte auch im Interesse des Vereins bzw. der Stiftung sein, da sie das Ehrenamt attraktiver macht und die Suche nach geeignetem Personal, das eine allzu scharfe Haftung berechtigterweise scheut, erleichtern dürfte. Vereine und Stiftungen sollten ihre Satzung vor dem Hintergrund dieser Entscheidung daraufhin überprüfen, ob diese bereits einen Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit enthält und, falls das nicht der Fall ist, erwägen, eine solche Regelung in die Satzung aufzunehmen. Eine solche Haftungsbeschränkung gilt aber nur für das Innenverhältnis, also das Verhältnis des Vorstandes zum Verein bzw. zur Stiftung. Für das besonders haftungsträchtige Außenverhältnis gilt eine solche Haftungsbeschränkung nicht. Insoweit kann Vereins- und Stiftungsvorständen nur empfohlen werden, sich durch den Abschluss entsprechender D&O-Versicherungen abzusichern.

Dr. Ulrich-Peter Kinzl, Dr. Lisa Ames, Daniela Rentz, Johannes Gugel, Aljoscha Schmidberger

Gesetzlicher Mindestlohn für Bereitschaftszeiten?

Mit Urteil vom 29.06.2016 hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass der gesetzliche Mindestlohn für jede geleistete Arbeitsstunde zu zahlen ist. Zur vergütungspflichtigen Arbeit zählen auch Bereitschaftszeiten, während derer sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort – innerhalb oder außerhalb des Betriebs – bereit halten müsse, um bei Bedarf die Arbeit aufzunehmen.

In dem zu entscheidenden Fall hat das Bundesarbeitsgericht die Klage auf weitere Vergütung für die vom Kläger geleisteten Bereitschaftszeiten allerdings abgewiesen. Zwar sei Bereitschaftszeit mit dem gesetzlichen Mindestlohn zu vergüten, der Anspruch des Klägers hierauf sei aber erfüllt. Bei maximal 228 Arbeitsstunden, die der Kläger mit Vollarbeit und Bereitschaftszeiten in einem Monat tatsächlich leisten könne, erreiche das gezahlte Bruttomonatsgehalt in Höhe von 2.680,31 € den gesetzlichen Mindestlohn nicht nur, sondern übersteige ihn (228 Stunden zu 8,50 € = 1.933,00 € brutto monatlich). Deswegen bestehe kein Anspruch auf weitere Vergütung.

Dr. Jörg Fecker, Dr. Thomas Glöckle, Dr. Volker Nill, Dr. Betina Fecker, Dr. Susanne Jochheim, Nadine Crocoll