EuGH zur deutschen Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer am 19.10.2016 verkündeten Entscheidung die in Deutschland geltende Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel als unvereinbar mit europarechtlichen Bestimmungen beurteilt. Der EuGH geht davon aus, dass die Preisbindung gegen den unionsrechtlichen Grundsatz des freien Warenverkehrs in der EU verstößt. Die Regelung könne Anbietern von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aus anderen EU-Ländern den Zugang zum deutschen Markt erschweren.

Die Entscheidung geht auf einen Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf zurück. In dem dort anhängigen Fall geht es um eine Kooperation zwischen der Deutschen Parkinson Vereinigung und der niederländischen Versandapotheke „DocMorris“. Aufgrund dieser Kooperation konnten die Vereinsmitglieder bei DocMorris Boni für rezeptpflichtige Parkinson-Medikamente erhalten. Dagegen hatte die deutsche Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs (Wettbewerbszentrale) wegen Verstoßes gegen die Preisbindung für rezeptpflichtige Arzneimittel geklagt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf muss nun unter Beachtung der Rechtsauffassung des EuGH entscheiden. Es wird die Klage der Wettbewerbszentrale mit größter Wahrscheinlichkeit abweisen.

Für deutsche Apotheken ändert sich an der in § 78 des Arzneimittelgesetzes (AMG) geregelten Preisbindung für verschreibungs- pflichtige Arzneimittel trotz der Entscheidung des EuGH zunächst nichts; diese haben die Preisbindung weiterhin zu beachten. Die hiermit verbundene Schlechterstellung deutscher Apotheken (sog. „Inländerdiskriminierung“) gegenüber ausländischen Versandapotheken, die aufgrund der Entscheidung des EuGH das Preisbindungsgebot nicht mehr beachten müssen, wird voraussichtlich nur durch eine Gesetzesänderung ausgeräumt werden können. Es ist damit zu rechnen, dass der Gesetzgeber in das AMG ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (RX-Versandverbot) aufnehmen wird. Ein solches Verbot hat der EuGH in einer zurückliegenden Entscheidung ausdrücklich als europarechtskonform bezeichnet.

Thomas Janssen, Dr. Mark Wiume, Philip Malcolm Kohl

Private Krankenversicherung: Kostenerstattung auch bei vorhersehbaren Risiken

Der Bundesgerichtshof hat am 17.02.2016 entschieden, dass ein privater Krankenversicherer auch dann die Kosten für einen beidseitigen Implantatwechsel zu tragen hat, wenn sich die Versicherte Jahre zuvor lediglich aus kosmetischen Gründen für eine Brustoperation entschieden hatte und über die Risiken aufgeklärt worden war, die zum späteren Implantatwechsel geführt haben. Der Versicherer argumentierte, diese Komplikationen seien bereits bei der ersten Operation als erwartbar bekannt gewesen und von der Versicherten zumindest billigend in Kauf genommen worden. Daher greife der Leistungsausschluss hinsichtlich auf Vorsatz beruhender Krankheiten.

Der Bundesgerichtshof stellte dagegen fest, dass es keinen allgemeinen Erfahrungssatz gebe, wonach sich die versicherte Person mit allen ihr durch ärztliche Aufklärung bekannt gewordenen möglichen Krankheitsfolgen eines ärztlichen Eingriffs, die mit einer gewissen Häufigkeit beobachtet werden, im Sinne einer billigenden Inkaufnahme abfinde. Es komme hierbei stets auf die Umstände des Einzelfalls an.

Dr. Volker Nill, Carsten Gnewikow

Krankentagegeldversicherung: Klausel über Herabsetzung des Krankentagegeldes unwirksam

Private Krankentagegeldversicherungen enthalten Klauseln, nach denen der Versicherer das vereinbarte Krankentagegeld herabsetzen darf, wenn sich das Nettoeinkommen des Versicherten reduziert. Nicht selten haben die Versicherer davon Gebrauch gemacht, wenn der Leistungsfall bereits eingetreten war. Dies stellte für die Versicherten, die mit einem höheren Versicherungsschutz gerechnet und für diesen auch bezahlt hatten, eine unangenehme Überraschung dar.

Der Bundesgerichtshof hat am 06.07.2016 geurteilt, dass eine weit verbreitete Klausel über die Herabsetzung des Krankentagegeldes wegen Intransparenz unwirksam ist. Die Richter haben bemängelt, dass die Klausel nicht erkennen lasse, für welchen Zeitraum eine Einkommensreduzierung eingetreten sein müsse, um das Herabsetzungsrecht auszulösen. Die Unwirksamkeit der Klausel führt dazu, dass das Recht des Versicherers zur einseitigen Reduzierung des Krankentagegeldes ersatzlos entfällt.

Dr. Volker Nill, Carsten Gnewikow

Keine Nachforderung nachträglich vorzulegender Unterlagen

In einem Beschluss vom 17.02.2016 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf klargestellt, dass Erklärungen oder Nachweise, die erst nach Abgabe des Angebots auf gesonderte Aufforderung des Auftraggebers von den Bietern vorzulegen sind, nicht nachgefordert werden dürfen, falls sie vom Bieter nicht oder nicht rechtzeitig eingereicht werden. In dem entschiedenen Fall hatte der Auftraggeber von dem für den Zuschlag vorgesehenen Bieter die Vorlage von Referenzen verlangt, wie es in den Vergabeunterlagen vorbehalten war.

Als der Bieter nachgeforderte Referenzen innerhalb der Nachfrist vorlegte, wollte der Auftraggeber ihn beauftragen. Zu Unrecht, wie das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden hat. Denn eine Nachforderung erst nach Angebotsabgabe angeforderter Unterlagen ist nicht zulässig. Zwar erging die Entscheidung zu § 16 EG Abs. 1 Nr. 3 VOB/A, sie gilt aber in gleicher Weise für den seit April 2016 maßgeblichen § 16a EU VOB/A.

Dr. Lars Knickenberg

Erschließungsbeitrag bei wirtschaftlicher Grundstückseinheit

Zur Zahlung des Erschließungsbeitrags herangezogen werden Grundstücke, die bebaut oder gewerblich genutzt werden können. Keiner Erschließungsbeitragspflicht unterliegen Grundstücke, für welche diese Voraussetzung beispielsweise wegen einer zu geringen Größe oder eines ungeeigneten Zuschnitts nicht vorliegen. Zur Beantwortung der Frage, was ein Grundstück ist, wird maßgeblich auf den Begriff des Buchgrundstücks, also des im Grundbuch unter einer eigenen Nummer eingetragenen Grundstücks abgestellt. Hiervon ist eine Abweichung bei Buchgrundstücken vorzunehmen, die isoliert zwar nicht im vorgenannten Sinne nutzbar sind, jedoch zusammen mit einem oder mehreren anderen Buchgrundstücken desselben Eigentümers ein Baugrundstück bilden. In einer Entscheidung vom 21.12.2015 hat das Bundesverwaltungsgericht unter Verweis auf seine bisherige Rechtsprechung festgestellt, dass in einem solchen Fall das Festhalten am Buchgrundstücksbegriff grob unangemessen wäre. Hier ist deshalb die wirtschaftliche Grundstückseinheit maßgeblich, auf welcher die Erschließungsbeitragslast ungeteilt ruht.

Dr. Nadine Holzapfel

Öffentlichkeitsbeteiligung im Planaufstellungsverfahren

Ein Kernstück des Verfahrens zur Aufstellung eines Bauleitplans ist die Öffentlichkeitsbeteiligung. Das Baugesetzbuch schreibt im Rahmen der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung zwingend vor, dass die Entwürfe für die Dauer eines Monats auszulegen sind und hierzu Stellungnahmen abgegeben werden können. Werden die Planentwürfe geändert oder ergänzt, so sind sie erneut öffentlich auszulegen, Stellungnahmen sind erneut einzuholen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer Entscheidung vom 18.04.2016 zum wiederholten Male betont, dass im Grundsatz jede Änderung oder Ergänzung des Entwurfs die Pflicht zur Wiederholung der Auslegung auslöst. Das gilt ausdrücklich auch dann, wenn ein Plan nach der Durchführung der zwingend vorgeschriebenen Öffentlichkeitsbeteiligung den Inhalt erhält, den er bereits während der frühzeitigen freiwilli-gen Bürgerbeteiligung hatte. Dies wird mit der gesetzlichen Garantie begründet, dass ein Bürger einmal die Gelegenheit haben muss, zum Planentwurf in seiner letzten Fassung Stellung zu beziehen.

Werden die Anforderungen nicht eingehalten, liegt ein beachtlicher Verfahrensfehler vor. Dieser muss allerdings, will man sich auf eine Unwirksamkeit des Bauleitplans berufen, binnen eines Jahres bei der planaufstellenden Gemeinde gerügt werden. Unterbleibt eine rechtzeitige Rüge, führt dies zur Unbeachtlichkeit des Mangels.

Dr. Nadine Holzapfel

Neues aus dem Betriebskostenrecht

In einem aktuellen Urteil hat der Bundesgerichtshof Neues zur Umlage von Betriebskosten auf den Wohnraummieter festgeschrieben. Bislang war es für die Umlage von Betriebskosten grundsätzlich erforderlich, dass die Betriebskosten im Mietvertrag einzeln bezeichnet wurden oder zumindest z. B. auf die Betriebskostenverordnung Bezug genommen wurde (bzw. auf die Anlage 3 zu § 27 der II. BerechnungsVO). Eine solche Bezugnahme auf die Betriebskostenverordnung reichte aus, jedenfalls soweit es nicht um sonstige (zusätzliche) Betriebskosten im Sinne von § 2 Nr. 17 der Betriebskostenverordnung ging. In einem Urteil vom 10.02.2016 stellte der Bundesgerichtshof nun fest, dass der Begriff der Betriebskosten seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung bzw. Gesetz definiert sei. Seit dem Jahr 2007 sei in § 556 BGB eine Definition der Betriebskosten enthalten und werde außerdem ausdrücklich auf die Betriebskostenverordnung verwiesen. Daher bedürfe der Begriff der Betriebskosten auch in Formularverträgen, d. h. Allgemeinen Geschäftsbedingungen, grundsätzlich keiner weiteren Erläuterung oder Aufschlüsselung mehr, da er sowohl als bekannt vorausgesetzt werden könne, als auch für den durchschnittlichen Mieter hinreichend klar und verständlich sei. Auch eine Bezugnahme z. B. auf die Betriebskosten sei daher in Wohnraummietverträgen entbehrlich.

Dies bedeutet, dass es im Bereich der Wohnraummiete zur Übertragung der Betriebskosten auf den Mieter genügt, dass der Mietvertrag (auch der Formularvertrag) die Vereinbarung enthält, dass der Mieter „die Betriebskosten“ zu tragen hat. Weder muss der Betriebskostenkatalog beigefügt noch ausdrücklich auf die Betriebskostenverordnung verwiesen werden. Dies gilt allerdings nur für die „normalen“ Betriebskosten, nicht jedoch für zusätzliche sonstige Betriebskosten im Sinne des § 2 Nr. 17 Betriebskostenverordnung, die nach wie vor einer ausdrücklichen Umlagevereinbarung bedürfen.

Für die Praxis bedeutet dies Klarheit und möglicherweise auch Hilfestellung im Rahmen von Verträgen, in denen entsprechende Definitionen der Betriebskosten bzw. die Bezugnahme auf die Betriebskostenverordnung fehlen. Es ist jedoch Vorsicht geboten. Das Urteil des Bundesgerichtshofes dürfte eben nur die „normalen“ Betriebskosten umfassen, nicht jedoch sonstige Kosten, die der Vermieter außerdem über den Betriebskostenkatalog des § 2 Nr. 1 bis 16 Betriebskostenverordnung hinaus umlegen möchte. Diese müssen nach wie vor spezifiziert werden. Auch insoweit gilt daher bei der Vertragsgestaltung, dass nicht „weniger mehr“ ist, sondern vielmehr nach wie vor im Zweifel alle Kosten aufgezählt werden sollten, um ganz sicher zu gehen. Geschieht dies aber einmal nicht, hilft das Urteil des Bundesgerichtshofes dem Vermieter jedenfalls insoweit, als dass jedenfalls dann die üblichen Betriebskosten im Sinne von § 2 Nr. 1 bis 16 Betriebskostenverordnung dennoch auf den Mieter umgelegt werden können.

Verena Gahn

Verlegung eines Vertragsarztsitzes

Vom Bundessozialgericht wurde durch Urteil vom 03.08.2016 klargestellt, dass Vertragsärzte Rechtsanspruch auf Genehmigung der Sitzverlegung haben, wenn dem keine Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen; es besteht nicht nur ein Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung. Bei der Beurteilung der Frage, ob der Sitzverlegung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, hätten die Zulassungsgremien einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum. Die Zulassungsgremien hätten hinreichend zu berücksichtigen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers verhindert werden soll, dass sich die Versorgung in Teilen von eigentlich gut versorgten großen Planungsbereichen durch Praxissitzverlegungen verschlechtere. Der Verlegung des Praxissitzes vom schlechter zum deutlich besser versorgten Bezirk stünden in aller Regel Versorgungsgesichtspunkte entgegen.

Dr. Ralf Kremer, Dr. Christian Wittmann, Prof. Dr. Hinner Schütze, Dr. Kristina Raske

Rabattgestaltung: Keine Diskriminierung des Online-Handels

Nachdem das Bundeskartellamt bereits Rabattsysteme für Haushaltsgeräte, Badarmaturen und Gartengeräte kritisch bewertet hat, musste nun auch ein bekannter Spielzeughersteller sein Rabattsystem anpassen, nachdem Händler sich beim Bundeskartellamt beschwert hatten. Das bisherige Rabattsystem hatte vorgesehen, dass Händler allein durch Verkäufe im stationären Handel in den Genuss der höchstmöglichen Rabatts kommen konnten, da eine Reihe von Kriterien allein auf den stationären Handel zugeschnitten waren, wie zum Beispiel eine Orientierung an den zur Verfügung stehenden Regalmetern. Dies führte dazu, dass selbst im Online-Vertrieb vorbildlich agierende Händler in vielen Fällen niedrigere Rabatte erhielten als ausschließlich im stationären Vertrieb tätige Händler.

Nach Intervention des Bundeskartellamts sagte der Hersteller nun zu, sein Rabattsystem so zu ändern, dass Händler auch über den Online-Vertrieb die gleiche Rabatthöhe erreichen können wie im stationären Vertrieb. Hierzu werden auf den Online-Vertrieb zugeschnittene alternative oder ergänzende Rabattkriterien eingeführt, die den Besonderheiten dieser Vertriebsform angepasst sind.

Dr. Martin Beutelmann, LL.M., Christine Kläger

Brunei tritt dem Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken bei

Drei Monate nach Hinterlegung der Beitrittsurkunde am 06.10.2016 wird das Protokoll mit Wirkung für die Monarchie Brunei am 06.01.2017 in Kraft treten. Ab diesem Datum kann das südostasiatische Land im Rahmen einer internationalen Markenregistrierung benannt werden.

Mit dem Beitritt des im Norden Borneos liegenden Kleinstaates steigt die Anzahl der Mitgliedsstaaten des Protokolls auf nunmehr 98.

Thomas Janssen, Dr. Mark Wiume, Philip Kohl, Marco Juresic und Sandra Monterosso-Pagel