Keine Ersatzvornahme vor der Beweissicherung!

Lässt der Auftragnehmer eine ihm vom Auftraggeber gesetzte Frist zur Nachbesserung ungenutzt verstreichen, verliert er sein Recht, den Mangel selbst zu beheben. Stattdessen hat der Auftraggeber die Möglichkeit, ein Drittunternehmen mit der Mängelbeseitigung zu beauftragen; die hierdurch anfallenden Kosten kann er vom Auftragnehmer erstattet verlangen. Trotz dieser eindeutigen Rechtslage ist ein Auftraggeber mit einer Klage auf Erstattung der Kosten der Ersatzvornahme vor dem Oberlandesgericht Celle gescheitert.

Das Gericht sah es nicht als erwiesen an, dass die vom Auftragnehmer installierte Heizungsanlage vor der Nachbesserung überhaupt Mängel aufwies. Solche Mängel hatte der beklagte Auftragnehmer bestritten, weshalb das Gericht einen Sachverständigen mit der Prüfung beauftragte, ob die Mängel vor der Nachbesserung vorhanden waren. Zu dieser Feststellung sah sich der Sachverständige außerstande, nachdem die Heizungsanlage bereits nachgebessert war. Er konnte sich auch nicht auf ein vom Auftraggeber vor der Nachbesserung eingeholtes Privatgutachten stützen. Denn der Privatgutachter hatte keine eigenen Feststellungen getroffen, sondern im Wesentlichen nur die Angaben des Auftraggebers in sein „Gutachten“ übernommen. Da auch die Vernehmung von Zeugen zu keiner Klärung führte, konnte der Auftraggeber den Mangel nicht beweisen und das Gericht hat seine Klage abgewiesen.

Die Entscheidung zeigt, wie wichtig eine fachgerechte Dokumentation ist, wenn zunächst der Mangel behoben und erst dann ein Rechtsstreit geführt werden soll. Alternativ kann der Mangel „konserviert“ werden, bis ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger die Situation vor Ort prüft. Bis es zu einem Ortstermin kommt, können allerdings Monate vergehen, je nach Geschwindigkeit von Gericht und Sachverständigen auch mehr als ein Jahr. Will der Auftraggeber nicht so lange warten, bleibt ihm nur die Möglichkeit, den Mangel vor seiner Beseitigung zu dokumentieren. Hierzu sollte er in der Regel einen Sachverständigen hinzuziehen.

Ulrich Gentner, Dr. Lars Knickenberg, Jula Zenetti, LL.M.

Unterschwellenvergabeordnung – neue Regeln für die Vergaben von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte

Der ganz überwiegende Teil der öffentlichen Auftragsvergaben erreicht nicht die sogenannten Schwellenwerte, unterliegt also nicht dem EU- bzw. Kartellvergaberecht. Für diese Vergaben wird künftig die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) gelten, die in diesen Tagen im Bundesanzeiger veröffentlicht wird. Die UVgO regelt die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge. Sie ersetzt die VOL/A und enthält unter anderem Regelungen über die Vergabe freiberuflicher Leistungen. Zu beachten sind insbesondere folgende Punkte:

  1. Die UVgO tritt nicht mit ihrer Veröffentlichung in Kraft, sondern erst durch einen gesetzlichen Verweis. Neben dem Bund muss also in jedem Bundesland separat entschieden und geregelt werden, ob die UVgO Anwendung findet. Mit den Verweisen wird auch geregelt, welche (öffentlichen) Auftraggeber die UVgO anzuwenden haben.
  1. Im Aufbau orientiert sich die UVgO an der im April 2016 in Kraft getretenen, oberhalb der Schwellenwerte zu beachtenden Vergabeverordnung (VgV). Die UVgO stellt allgemeine Vergabegrundsätze wie Transparenz, Gleichbehandlung, Wirtschaftlichkeit, Förderung mittelständischer Interessen etc. auf und regelt die verschiedenen Vergabearten. Aufgegeben wurde der Vorrang der öffentlichen vor der beschränkten Ausschreibung, die nun gleichwertig nebeneinander stehen. Für die Vergabe freiberuflicher Leistungen gibt die UVgO lediglich vor, dass Wettbewerb zu schaffen ist, soweit dies nach der Natur des Geschäfts oder den besonderen Umständen möglich ist. Hier besteht also eine größere Freiheit für den Auftraggeber als bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen.
  1. Wie die VgV fördert auch die UVgO die elektronische Auftragsvergabe. So sollen die Vergabeunterlagen elektronisch abrufbar sein. Die Abgabe von Angeboten in Papierform kann der Auftraggeber nur noch in einer Übergangszeit bis Ende 2019 zulassen. Bereits ab 2019 muss er auch Teilnahmeanträge und Angebote akzeptieren, die elektronisch übermittelt werden. Ab 2020 hat der Auftraggeber Teilnahmeanträge und Angebote in elektronischer Form anzufordern, Angebote in Papierform sind dann nicht mehr zuzulassen.
  1. Anders als die VOL/A enthält die UVgO Regelungen über die Eignung von Bewerbern und Bietern, die Aufstellung von Eignungskriterien, die sogenannte Eignungsleihe sowie durch den Verweis auf das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) zu Vergabesperren und der Möglichkeit zur sogenannten Selbstreinigung der Bieter. Damit wird das UVgO in einem sensiblen Punkt für mehr Rechtsklarheit sorgen.
  1. Wie bereits die VOB/A 2016 trifft auch die UVgO Regelungen zu Auftragsänderungen. Durch einen Verweis auf das GWB wird klargestellt, dass wesentliche Änderungen eines Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren erfordern. Eine wesentliche Änderung des Vertrags liegt insbesondere vor, wenn sich andere Bieter um den geänderten Auftrag beworben hätten oder mit der Änderung eine erhebliche Ausweitung des Auftragsumfangs verbunden wäre. Ohne neue Ausschreibung können Aufträge u.a. dann geändert werden, wenn der Gesamtcharakter des Auftrags nicht geändert und der Wert der Änderung nicht mehr als 20 % des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. Mit der 20 %-Grenze bleibt die UVgO hinter den vergleichbaren Vorgaben im GWB zurück, das die Grenze für Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte bei 10 % setzt. Anders als die VOB/A sowie das GWB trifft die UVgO keine Regelung, ob der ursprüngliche Vertrag wegen der Leistungsänderung gekündigt werden darf.
  1. Auch wenn einige Details noch unklar sind und erst durch die Praxis und Rechtsprechung geklärt werden müssen, ist die UVgO zu begrüßen. Sie führt zu einer Angleichung der Vergabeverfahren unterhalb der Schwellenwerte an die EU-Vergaben. Deshalb wird bei dem Verständnis der Vergabevorschriften noch mehr als bisher auf Entscheidungen zurückgegriffen werden, die zum EU-Vergaberecht ergehen. Einen primären Rechtsschutz, wie er zum EU-Vergaberecht besteht, sieht die UVgO nicht vor. Insoweit bleibt es bei den bisherigen, länderspezifischen Regelungen und der (streitigen) Möglichkeit, Rechtsschutz vor den Zivilgerichten zu suchen.

Dr. Lars Knickenberg