Update Whistleblowing: Bundestag beschließt Hinweisgeberschutzgesetz mit wenigen Änderungen
In der letzten Sitzung des Jahres 2022 hat der Deutsche Bundestag am 16.12.2022 das "Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden" (HinSchG) beschlossen. Mit der Zustimmung des Bundesrates zum HinSchG wird am 10.02.2023 gerechnet.
I. Änderungen gegenüber Regierungsentwurf
Das nun vom Bundestag beschlossene HinSchG enthält einige vom Rechtsausschuss vorgeschlagene Änderungen, die für die Unternehmen bei der Umsetzung des HinSchG in der Praxis und insbesondere der Einrichtung interner Meldekanäle relevant sind. Die wesentlichen Änderungen sind:
1. Anonyme Meldungen
Ab 01.01.2025 müssen über interne wie externe Meldekanäle nach dem geänderten HinSchG anonyme Meldungen und eine anonyme Kommunikation mit dem Hinweisgeber möglich sein. Der Regierungsentwurf sah für anonyme Meldungen noch eine bloße Soll-Vorschrift vor. Diese Änderung ist zu begrüßen, da sie die Hemmschwelle für Hinweisgeber zur Abgabe eines Hinweises senkt.
Gleichzeitig dürfte diese Änderung für viele Unternehmen einen Wechsel des Meldekanals erforderlich machen. Klassische Meldekanäle wie der Briefkasten werden dem Erfordernis der anonymen Kommunikation nicht gerecht. Ob die einfache E-Mail-Adresse als Meldekanal auch zukünftig noch zulässig bleiben wird, ist noch offen.
2. Konzernlösung
Wie schon der Regierungsentwurf kodifiziert auch das HinSchG nicht ausdrücklich die Konzernlösung. Nach der Konzernlösung können einzelne Konzerngesellschaften, die in der Regel nicht über eine eigenständige Compliance-Funktion oder gar Compliance-Abteilung verfügen, ihre interne Meldestelle an ein Konzernunternehmen, zum Beispiel die Muttergesellschaft an der Konzernspitze, auslagern. Zweifel an der Zulässigkeit der Konzernlösung sind aufgekommen, weil die EU-Kommission diese mit der EU-Whistleblowing-Richtlinie, mit der das HinSchG umgesetzt wird, für unvereinbar hält. Obwohl ein ausdrückliches Bekenntnis des Gesetzgebers zur Konzernlösung im HinSchG fehlt, betont und begrüßt der Rechtsausschuss die Konzernlösung erneut. Danach spricht gegen eine konzernweite interne Meldestelle nichts, wenn die Meldestelle auf Ebene der Konzerngesellschaft die Vertraulichkeitspflichten wahrt und unabhängig ist. Zudem darf eine konzernweite zentrale Meldestelle keinerlei Hürden für den Hinweisgeber mit sich bringen, wie zum Beispiel sprachliche Barrieren. Die Abgabe von Hinweisen in der in der jeweiligen Einzelgesellschaft vorherrschenden Arbeitssprache sollte daher ermöglicht werden. Die originäre Verantwortung, den gemeldeten Vorfall aufzuklären, abzustellen und zu ahnden, verbleibt in jedem Fall bei der einzelnen Konzerngesellschaft.
Konzerne mit Tochtergesellschaften im Ausland müssen die für die einzelnen Tochtergesellschaften jeweils geltenden nationalen Vorschriften beachten, wonach ggf. weiterhin eine eigene Meldestelle für jede Konzerngesellschaft vorgesehen ist.
3. Verlängerung der Aufbewahrungsfrist
Nach dem HinSchG ist die Dokumentation der Meldung drei Jahre nach dem Abschluss des Verfahrens zu löschen. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf sah noch eine Aufbewahrungsfrist von zwei Jahren vor. Mit der Fristverlängerung soll ein Gleichlauf mit der zivilrechtlichen regelmäßigen Verjährungsfrist erreicht werden.
Unternehmen sind angehalten, zukünftig ein striktes Löschungskonzept vorzusehen, das den gesetzlichen Anforderungen genügt.
4. Ersatz immaterieller Schäden
Erleidet der Hinweisgeber infolge eines Hinweises einen Schaden, der kein Vermögensschaden ist, kann der Hinweisgeber zukünftig eine Entschädigung in Geld fordern. Der Gesetzgeber sah sich zu einer ausdrücklichen Regelung genötigt, da Ersatz von immateriellen Schäden im deutschen Recht nur in Ausnahmefällen verlangt werden kann. Repressalien infolge eines Hinweises können aber in unterschiedlichen Erscheinungsformen auftreten wie zum Beispiel in Form von Mobbing oder Stalking. Mit der Einführung einer ausdrücklichen Regelung zum Ersatz immaterieller Schäden wird der weitreichende Schutz von Hinweisgebern weiter gestärkt und dadurch Hinweisgebersysteme noch effektiver.
II. Was jetzt zu tun ist
Betroffene Unternehmen, sprich deren Geschäftsführung, müssen eine gesetzeskonforme interne Meldestelle (Hinweisgebersystem) einführen, an die sich Mitarbeiter und optional auch Dritte wenden können, um das Unternehmen auf bestimmte Rechtsverstöße aufmerksam zu machen. Unternehmen, die bereits über ein Hinweisgebersystem verfügen, sollten dieses auf Anpassungsbedarf an die neue Rechtslage überprüfen. Insbesondere bei der erstmaligen Implementierung eines Hinweisgebersystems stellen sich diverse Fragen, für deren Klärung die Geschäftsführung ausreichend Zeit einplanen sollte, zum Beispiel:
- Wie soll eine Meldestelle aufgebaut werden, die für Hinweisgeber attraktiv ist und die Anforderungen der Richtlinie (Vertraulichkeit, Unabhängigkeit, Datensicherheit, Prozessmanagement etc.) erfüllt?
- Welche Meldekanäle (Hotline, Ombudsperson, IT-Tool etc.) sind für das Unternehmen geeignet?
- Gibt es im Unternehmen Expertise und Kapazitäten, um die Meldestelle durch eigene Mitarbeiter zu besetzen, oder soll dies an einen externen Berater oder Dienstleister ausgelagert werden?
- Welche neuen Dokumente und Prozesse müssen aufgesetzt werden?
- Soll das Hinweisgebersystem neben den Mitarbeitern auch Dritten (z. B. Lieferanten, Kunden) offenstehen?
- Welche arbeits- und datenschutzrechtlichen Fragen sind zu bedenken, etwa die Beteiligung eines Betriebsrats?
BRP berät Sie aus einer Hand zu allen Fragen rund um Hinweisgebersysteme. Für Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen Dr. Jürgen Bürkle, Dr. Martin Beutelmann und Dr. Stefan Reuter gerne zur Verfügung.